Die Coronavirus-Pandemie ist das beherrschende Thema: Jeden Tag erfahren wir, wie viele Menschen infiziert und gestorben sind. Das kann Ängste auslösen. Aber in der Angst liegt auch die Chance, über die wichtigen Dinge im Leben nachzudenken.
Was ist das Bestimmende bei dieser schwer beschreibbaren Angst vor dem Tod? Der Psychotherapeut Jan Kalbitzer sagt, dass diese Angst eigentlich rational ist. Mit der Angst vor dem Sterben sei vor allem die Angst vor Schmerzen und einem qualvollen Tod verbunden.
"Ich glaube, was vielen Menschen zusetzt, ist die Angst vor Schmerzen und vor Qualen. Ich denke, dass das einen Unterschied zur Influenza macht, bei der nicht so detailliert über die Art zu sterben berichtet wird."
Diese Angst vor einem qualvollen Tod werde durch die ausführlichen Informationen genährt, wie ein Patient stirbt, der an Covid-19 erkrankt ist. Je mehr wir darüber wissen und je besser wir uns diese Art des Sterbens vorstellen könnten, desto größer wird die Angst davor, an Covid-19 zu erkranken, so Jan Kalbitzer.
Lähmende Angst
Wer aber vor dieser Angst zurückweicht und ihr Raum lässt, wird von ihr immer stärker eingeengt, sagt der Psychotherapeut. Dann nehme die Angst Betroffenen die Handlungsfähigkeit und führe zu einer Art Lähmung.
"Das Fatale an der Angst ist: Wenn man vor ihr zurückweicht, fühlt es sich erstmal gut an."
Greife die Angst weiter um sich, führe das zu ausweglosen Gedankenschleifen. Dieses Gefangensein könne sich auch körperlich auswirken. Dann verspannen sich Schulterblätter und Rücken, die Verspannungen kann bis in den Brustkorb ausstrahlen und Herzängste erzeugen, sagt Jan Kalbitzer.
"Wenn man zwischen den Schulterblättern und im Rücken verspannt ist, dann kann das in den Brustkorb hinein ausstrahlen und Herzängste ergeben."
Wer von seiner Angst so weit getrieben ist, sollte schnellstens professionelle Hilfe aufsuchen, rät er. Bevor es soweit kommt, rät der Psychotherapeut zu Ablenkungsmanövern.
Ablenkungsmanöver von der Angst
Gegen das Gedankenkreisen und die Angstschleifen helfe, Dinge zu tun, die uns in die Gegenwart zurückholen – etwa mit dem Hund rausgehen oder andere vollkommen alltägliche Dinge. Auch Meditationstechniken können dabei helfen, so der Psychotherapeut. In der Trauma-Arbeit mit Geflüchteten hat Jan Kalbitzer auch gute Erfahrungen mit einfachen Spielen auf dem Smartphone gemacht, weil das einen einfachen Ausweg aus dem Gedankenkarussell bietet.
Über Todesangst sprechen
Vielen Menschen hilft es auch, über ihre Angst vorm Sterben zu sprechen, sagt Caro. Sie macht mit ihrer Freundin den Podcast "Endlich. Wir sprechen über den Tod". Nachdem ihr früherer Freund sich das Leben genommen hatte, begann sie viel über den Tod zu lesen, erzählt sie. Schließlich war das der Anlass für sie, eine Ausbildung zur Sterbebegleiterin zu machen. Heute arbeitet sie bei einem Bestatter.
"Ganz viele Leute sagen uns: Ich habe immer gedacht, ich bin die einzige, die diesen komischen Gedanken oder die diese komischen Ängste – und irgendwie habt ihr das auch. Das ist so tröstlich."
Jan Kalbitzer sieht auch eine Chance in der Angst vor dem Tod, denn dabei entstehen ähnliche Gedanken wie bei der Angst vor Veränderung oder Krankheit. In diesen Situationen könnte man auch darüber nachdenken, wie man überhaupt leben möchte.
Chance, übers Wesentliche nachzudenken
Gerade in dieser Zeit der extremen Reduzierung wegen der Coronavirus-Pandemie fallen viele Dinge in unserem Alltag weg, die ihn auch stressig und hektisch machen, sagt Caro. Das gebe uns die Gelegenheit grundsätzlich darüber nachzudenken, was wir in unserem Leben wirklich gerne noch machen möchten, findet auch sie.
"Das ist vielleicht auch eine Chance, nochmal darüber nachzudenken: Was ist das eigentlich in meinem Leben, was ich gerne noch tun würde? Kann ich das vielleicht noch einbauen in mein Leben?"
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