"Genossin Kuckuck" heißt die umfangreiche, bildgewaltige und autofiktionale Graphic Novel von Anke Feuchtenberger. Eine düstere Märchenwelt, die nach fast 14 Jahren Arbeit erschienen ist. Das Buch hatte lange Zeit den Arbeitstitel: "Ein deutsches Tier im deutschen Wald".

Ein Mädchen geht durch einen dunklen Wald. Es trägt ein Tuch um den Kopf gebunden – und einen Korb in der rechten Hand. Der Korb ist leer. Das Mädchen ist müde. Es hat nicht geschlafen. Obwohl in dieser Nacht auf dem Nachbarhof kein Fest gefeiert wird.

Anspielung auf Märchen der Gebrüder Grimm

Nein. Dieses Mädchen ist nicht Rotkäppchen. Obwohl Anke Feuchtenberger es ganz sicher auf diese Verwechslung abgesehen hat, als sie ihre Hauptfigur Kerstin an einem frühen Morgen zum Pilzesammeln in den heimischen Wald gehen lässt. Es ist eine von vielen Anlehnungen an die Märchen der Gebrüder Grimm.

Das Leuchten des Vollmondes schafft es nicht überall bis zum Waldboden, auf dem an manchen Stellen die Zapfen der Kiefern verstreut herumliegen, als sei eine Zigarren-Schachtel umgekippt. An anderer Stelle liegt so viel Laub, dass es aussieht, als stünden die Bäume in einem Meer aus Blättern. Und dann sind da plötzlich nur noch Sträucher, und Löcher.

"Plötzlich taucht ein Mann zwischen den Bäumen auf. Das Mädchen erstarrt."
Lydia Herms, Deutschlandfunk-Nova-Literatur-Expertin über "Genossin Kuckuck"

Ein Mann taucht auf, das Mädchen erschrickt. Er ist schnell unterwegs und er atmet schwer. Erst, als er ganz nah ist, erkennt das Mädchen, dass es nur Jochen ist, der seine Runde läuft. Mit ihm kommt die Dämmerung. Der Wald verändert sich. Das Mädchen mit dem Kopftuch und dem Korb geht weiter, denn es hat ein Ziel.

Auf der Lichtung ein riesiger Pilz

Statt vieler kleiner braunweißer Steinpilze, so wie im vergangenen Jahr, ragt jetzt und hier, mitten auf einer Waldlichtung, ein riesiger Pilz auf, haushoch. Er leuchtet und lockt wie eine Laterne die Motten. Das Mädchen geht langsam auf den Riesenpilz zu, es hebt vorsichtig die Hand und will schon den Stiel berühren, als sich auf einmal eine Luke öffnet und ein Schwein in Uniform darin auftaucht. Es oder er brüllt: "Nicht anfassen!" Kerstin schreckt zurück.

Nachfolgend findet ihr vier Ausschnitte aus der Graphic Novel "Genossin Kuckuck" von Anke Feuchtenberger (wischen oder auf die Pfeile klicken):

"Genossin Kuckuck" ist ein Comic mit mehr als vierhundert Seiten. Die Künstlerin Anke Feuchtenberger hat in den Jahren 2009 bis 2023 daran gearbeitet – mal mehr, mal weniger, mal sehr schnell, mal unfassbar langsam, aber immer mit Bleistift, Kohle und Radiergummi. Darum wirken ihre Bilder sehr düster, verwischt, verzaubert. Für manche Kapitel wählte sie hingegen die Farbe Rot, zeichnete mit Tusche oder Tinte feine Linien. Schwarz wie Ruß. Rot wie Blut.

DDR-Geschichte

Kerstins Geschichte spielt in der DDR, in einem Dorf nahe der Grenze zu Polen. Sie lebt zwischen Nacktschnecken, Pilzen und Kuckucksrufen. Sie kann ihn nachmachen, den Kuckucksruf. Kerstin wohnt bei ihrer Großmutter, weil ihre Eltern wichtige Aufgaben im Dienste der Regierung erledigen. Da ist kein Platz für Kinder. Jochen, Kerstins großer Bruder, lebt auf dem Dachboden der Schule, weil die Großmutter Männer nicht um sich haben möchte.

Die Grußmutter ist streng. Wenn Kerstin nicht spurt, gibt’s Dresche. Kerstin kann sich nicht daran erinnern, die alte Frau jemals lachen gesehen zu haben. Kerstin hat auch eine Freundin, Effi. Aber als Effi ins Heim muss, bricht der Kontakt ab. Warum, das versteht Kerstin erst viele Jahre später. Da ist sie längst erwachsen – und die DDR Geschichte. Der Wald ist jetzt Privatbesitz und die Schule geschlossen.

Das Buch

Der Comic "Genossin Kuckuck" von Anke Feuchtenberger ist bei Reprodukt erschienen und umfasst 448 Seiten. Das Buch gibt es als Hardcover mit Goldschnitt: 44 Euro; Erscheinungstag: 04.09.2023.

Shownotes
Das perfekte Buch für den Moment
...wenn du im Wald stehst
vom 24. März 2024