Essen, Jobs und echte Emotionen: All das gibt es in New York nur häppchenweise. Wo das Leben so besonders frei ist, ist es eben auch unfassbar teuer. Marlowe Granados erzählt in "Happy Hour" vom Überleben zwei mittelloser Freundinnen in der großen Stadt.
Es hätte so einfach sein können: Filmgucken, Cocktailstrinken, Zweisamkeit, und dann endlich Schlafen. Aber Tuzy versucht gerade wirklich alles, um Isas Stimmung zu versauen.
Was meinte er eben? Mit jemandem wie ihr hätte er noch nie zu tun gehabt?! Sie sei irgendwie ein Freak, aber ihm würde das gefallen. Echt jetzt? Einmal mehr ist Isa erstaunt darüber, welche Unverschämtheiten Leute raushauen, wenn sie jemandem ein Kompliment machen wollen.
Tuzy ist einer von diesen geschmacksbefreiten und stilblinden Typen, die sich mit Ende zwanzig eine Sofalandschaft, eine Küche mit Barhockern und ein California-King-Bett in die Bude stellen und denken, sie wären angekommen.
Taxi kommt, Schlafplatz geht
Isa braucht ein Bett für die Nacht, und vielleicht ein kleines Frühstück. Wer weiß, wann sie wieder Geld haben wird. Und Tuzy wird immer nervöser. Dabei ist noch gar nicht passiert. Und dann sagt er es. Das, was Isa jetzt nicht hören will. Es sei jetzt vielleicht besser, sie würde gehen.
Dann kommt, was kommen muss. Sie rastet aus. Tuzy stellt sich weiter quer. Er ruft Isa ein Taxi, begleitet sie in seinen neonfarbenen Laufschuhen zum Fahrstuhl und entschuldigt sich dabei tausendmal. Dann steht Isa auf der Straße. Sie weiß: Allein durch New York zu torkeln, ist keine Option.
Große Sehnsucht, kleines Geld
"Happy Hour" heißt das Romandebüt der kanadischen Künstlerin Marlowe Granados. Es erzählt von zwei Freundinnen – Isa und Gala, beide Anfang zwanzig – die gemeinsam einen Sommer in New York verbringen.
Die Miete für ihr winziges Appartement wollen sie mit dem Geld bezahlen, das sie durch den Verkauf von Klamotten auf Flohmärkten einnehmen. Das klappt natürlich nicht. Die Stadt ist toll, aber unfassbar teuer. Und ihre Sehnsüchte sind groß.
Isa und Gala wollen Spaß haben. Also müssen sie irgendetwas arbeiten. Mal klatschen sie sich als bezahlte Besucherinnen in Comedy-Shows die Hände wund, mal lassen sie sich für Modemagazine fotografieren oder posieren nackt vor Kunststudierenden. Sie wissen nie, ob sie den Monat schaffen, ob sie die Miete zusammenkriegen. Sie werden immer dünner. Sie leben prekär. Sie lassen andere für sich bezahlen.
Isa und Gala schmuggeln sich auf wissenschaftliche Tagungen, um ihre Gehirne mit Fakten und ihre Bäuche mit Fingerfood zu füttern. Und jedes Mal, wenn sie gefragt werden, was sie gerade so machen, dann antworten sie: Nichts. Absolut nichts. Sie wollen nur leben, einen Sommer lang.
Das Buch:
"Happy Hour" von Marlowe Granados, aus dem Englischen von Stefanie Ochel, Hanser, 300 Seiten, Hardcover: 24,- Euro, eBook: 17,99,- Euro, Hörbuch gelesen von Viola Müller, circa acht Stunden, 18,95 Euro.
Die Autorin:
Marlowe Granados ist Schriftstellerin, Filmemacherin und bildende Künstlerin. Nach Stationen in New York und London, lebt die gebürtige Kanadierin derzeit in Toronto. Sie ist Co-Moderatorin von "The Mean Reds", einem feministischen Film-Podcast. Ihre Texte sind unter anderem in Harper's Bazaar, The Cut, The Baffler und im Guardian erschienen. Happy Hour ist ihr erster Roman.