Die Logorrhö ist eine "krankhafte Geschwätzigkeit", sagt der Duden. Und wir alle kennen diese Leute, die sich uns ständig ungefragt mitteilen müssen - und einfach ohne Punkt und Komma auf uns einreden, bis wir schließlich... Ja, was eigentlich?
Manche Leute können nicht anders. Wenn sie erst einmal angefangen haben, müssen sie immer weiter quasseln, ohne Unterlass. Das Gegenüber kommt kaum noch zu Wort. Sprechpausen? Gibt es nicht. Und es kommt, wie es kommen muss: Irgendwann haben wir als Zuhörer keinen Bock mehr.
"Dann sollte man nicht so zurückhaltend sein, also durchaus versuchen, das mit klaren Zeichen deutlich zu machen, dass man was anderes vor hat."
Marianne Schmid Mast ist Professorin für Organisationsverhalten an der Universität Lausanne in der Schweiz. Und sie sagt: Es gibt Menschen, die nehmen die Signale ihres Gegenübers nicht ausreichend wahr. Wir drehen uns weg, schauen woanders hin, um zu zeigen: "Hey, was du da redest, interessiert mich nicht!" Trotzdem reden sie unaufhörlich weiter. In solchen Fällen, meint die Professorin, sei es durchaus in Ordnung, deutlich zu werden.
Dem Vielredner deutliche Signale geben
"Viele Leute trauen sich nicht, das zu machen, weil man denkt: das ist unanständig", sagt Marianne Schmid Mast. Doch solche Skrupel sollten wir nicht haben. Schließlich geben wir dem Vielredner quasi eine Hilfestellung, da er selbst nicht in der Lage ist, unsere Signale adäquat zu deuten. Und wenn auch das nicht hilft, bleibt nur noch eins: sich wegdrehen oder einfach weggehen.
Redeschwall als Statussymbol
Es gibt aber neben den gewöhnlichen Quasselstrippen auch noch solche, die ihren Redeschwall gezielt als Machtmittel einsetzen - Vorgesetzte oder Chefs beispielsweise. "Und zwar aus Statusgründen", sagt Marianne Schmid Mast, "also weil sie eine gewisse Dominanz über den Interaktionspartner ausüben möchten". Und egal, ob sich die Vorgesetzten im Einzelnen darüber klar sind oder nicht: Die meisten Angestellten werden ihren Chef wohl kaum unterbrechen oder sich wegdrehen, wenn der sie volllabert.
Unterhalten schafft Wohlbefinden
Aus echtem Bedürfnis heraus werden schließlich noch solche zu Vielrednern, die einfach niemanden haben, mit dem sie sich austauschen können. Einsame Leute, die dann lostexten, wenn sie zufällig jemanden treffen. So wie die alte Omi, die uns im Treppenhaus ihre Lebensgeschichte aufbrummt. Reden kann nämlich nicht nur ein Statussymbol sein, es schafft auch Zufriedenheit, sagt Anne Milek, Leiterin der Forschungsgruppe Paar- und Familienpsychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.
Sie hat zum Einfluss unserer Sprechzeit auf das subjektive Wohlbefinden geforscht und herausgefunden: Personen, die mehr substantielle Konversationen in ihrem Alltag haben, fühlen sich wohler.
"Diejenigen, die mehr substantielle Dinge selbst besprochen haben, also selbst geredet haben, sind auch die, die zufriedener waren."
Anne Milek gibt aber zu bedenken: Auch wenn wir Menschen soziale Wesen sind und Gespräche für unser Wohlbefinden brauchen - wichtiger als die Redezeit allein, ist etwas anderes: nämlich, dass wir Gehör finden. Und dazu braucht es manchmal nicht allzuviele Worte. Vielleicht ist es deswegen manchmal okay, zuzuhören - auch wenn es uns gerade nicht besonders interessiert - im Gegenzug für ein bisschen Wohlbefinden beim anderen.
"Wenn der Partner genau die richtigen Worte findet, darauf eingeht und mich hört, in dem was ich sage, dann ist es vielleicht gar nicht notwendig, so viele Worte zu verlieren."