Tiktok-Challenges, die gesundheitsschädlich sein können, das Ausspionieren von Usern und Userinnen der Video-App Tiktok und mehr: Die Plattform steht schon länger in der Kritik. Jetzt droht die EU-Kommission mit Sanktionen und einem möglichen Verbot.
Lustige Tänze, Lifehacks, Kochrezepte und Mutproben wie beispielweise die "Pass out"-Challenge bei der Nutzerinnen und Nutzer so lange den Kopf schütteln, bis sie kurzzeitig ohnmächtig werden... Wer sich als User*in durch die Inhalte von Tiktok scrollt, kann von harmlosen, unterhaltsamen und informierenden Inhalten schnell zu solchen gelangen, die Expert:innen als potenziell gesundheitsschädlich einstufen.
Berichte über Tiktok-Challenges mit tödlichem Ausgang konnte die Recherche des BR in der Vergangenheit zwar nicht bestätigen. Allerdings werden immer wieder neue Vorwürfe laut, kürzlich etwas wurde über den Fall einer 12-Jährigen Argentinierin berichtet, die sich selbst bei einer Tiktok-Challenge erdrosselt haben soll.
EU-Kommissar kritisiert Tiktok wegen gefährlicher Inhalte
Es sei nicht hinnehmbar, dass Nutzer über scheinbar lustige und harmlose Features innerhalb von wenigen Sekunden zu gefährlichen und manchmal sogar lebensbedrohlichen Inhalten gelangten, sagte nun auch EU-Kommissar Thierry Breton am Donnerstag (19.01.) nach einem Gespräch mit Tiktok-CEO Shou Zi Chew.
Einige weitere Kritikpunkte, die der EU-Kommissar auf Twitter nennt, sind:
- Mangelndes Engagement gegen Cybermobbing
- Desinformation
- Förderung von Gewohnheiten, die man als Essstörung bezeichnen muss, zum Beispiel krankhaftes Abnehmen
"In den vergangenen Monaten hat sich durch diverse Enthüllungen gezeigt, dass der Einfluss des chinesischen Staates auf TikTok deutlich größer ist als bislang zugegeben, und das erhöht den Druck auf die Politik, jetzt endlich zu handeln."
Das politisch noch brisantere Thema aber die Kritik am mangelnden Datenschutz, sagt unser Netzreporter Andreas Noll. TikTok hatte kurz vor Weihnachten dem Magazin Forbes die Überwachung von Journalist:innen bestätigt. Auch in diesem Punkt hat die EU-Kommission TikTok auf gewisse Art ein Ultimatum gesetzt. Dass die App Journalist:innen überwacht und personenbezogene Daten an Server im EU-Ausland schickt, dürfe nicht sein, so der EU-Kommissar Thierry Breton.
EU-Sanktionen gegen Tiktok wegen Gesetzeslage noch schwierig
Aktuell ist es für die EU aufgrund der Gesetzeslage noch schwierig, Sanktionen zu erlassen oder Verbote auszusprechen. Das ändert sich ab dem 1. September 2023, wenn in der gesamten EU die Verordnung über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) in Kraft tritt. Diese Verordnung sorgt dafür, dass Plattformen verboten werden können, wenn sie das Leben oder die Sicherheit von Menschen gefährden.
Strafe für Tiktok in Frankreich
Auch die Behörden und die Politik in Frankreich blicken kritisch auf ByteDance, das Unternehmen, das hinter Tiktok steckt. Dort wurde bereits geurteilt, dass die Tiktok-Mutter fünf Millionen Euro Strafe zahlen soll, da die Website von Tiktok gegen die Vorschriften für Cookie-Banner verstoßen habe. Weitere Länder könnten mit ähnlichen Entscheidungen nachziehen, erklärt Andreas.
"Vor allem in Deutschland sieht man Tiktok ähnlich kritisch wie in Frankreich. Gut möglich, dass schon bald erste Beschränkungen kommen – zum Beispiel, dass Regierungsangestellte Tiktok nicht mehr nutzen dürfen."
Tiktok-Verbot: US-Demokraten und Republikaner sind sich mal einig
Vor wenigen Tagen erst haben die USA beschlossen, Tiktok auf fast allen Regierungsgeräten zu verbieten. Im Prinzip sind sich die Demokraten und Republikaner einig, dass Tiktok in den USA vollständig verboten werden sollte, sagt unser Netzreporter.
Daher schätzt er als gut möglich ein, dass der US-Präsident Joe Biden das Verbot noch in diesem Jahr auf den Weg bringen könnte. Das wiederum würde den Druck auf die Europäer erhöhen. Bislang gibt es dazu aber noch keine Initiative in der EU – lediglich ein Ermittlungsverfahren der irischen Datenschützer, sagt Andreas Noll.