Wenn wir Medikamente regelmäßig einnehmen oder in bestimmten Situationen nicht mehr auf sie verzichten können, dann kann ein Medikamentenmissbrauch oder eine Sucht vorliegen. Welche Anzeichen es gibt und wie wir Betroffenen helfen können, erklärt Marc Pestotnik, Referent bei der Fachstelle für Suchtprävention Berlin.

Je nach Erhebung gelten in Deutschland 1,5 bis 1,9 Millionen Menschen als medikamentenabhängig. Bei etwa 2,9 Millionen Menschen liege ein Medikamentenfehlgebrauch vor.

Fachleute unterscheiden zwischen Medikamentensucht oder Medikamentenmissbrauch. Ein Missbrauch liegt dann vor, wenn wir Medikamente zu lange einnehmen, wenn die Dosis zu hoch ist oder auch wenn wir sie anders konsumieren, als der ursprüngliche Zweck es vorsieht.

"Laut Schätzungen liegt in Deutschland bei etwa 2,9 Millionen Menschen ein Medikamentenfehlgebrauch – also ein problematischer Medikamentenkonsum – vorliegt."
Marc Pestotnik, Referent bei der Fachstelle für Suchtprävention Berlin

In Apotheken gibt es zahlreiche Medikamente ohne Rezept, dazu gehören etwa Ibuprofen oder auch Aspirin. Und auch diese rezeptfreien Medikamente können problematisch sein.

Potenziell abhängig machende Medikamente

Marc Pestotnik erklärt, dass etwa Menschen, die häufig Schmerzmittel nehmen, die Einnahme entgleitet. "Die Menschen wissen gar nicht, dass sie potenziell abhängig machende Medikamente konsumieren", erklärt er. Deswegen sei es gut, in einer Themenwoche darauf aufmerksam zu machen. Es gehe aber auch darum, Fachkräfte für das Thema zu sensibilisieren.

Anzeichen für Abhängigkeit

Problematisch werde es, wenn sich etwa eine Schmerzmitteleinnahme verselbstständigt und zur Normalität wird, etwa "wenn für jedes Wehwehchen eine Pille eingenommen wird oder wenn sich eine Person nach einem Alkoholrausch prophylaktisch gegen den Kater eine Tablette schluckt", sagt Marc Pestotmik.

"Wenn jemand getrunken hat und prophylaktisch eine Kopfschmerztablette vor dem Schlafen einnimmt, um keinen Kater zu haben, dann ist das schon problematisch."
Marc Pestotnik, Referent bei der Fachstelle für Suchtprävention Berlin

Marc Pestotnik kritisiert den "Höher-Schneller-Weiter-Zeitgeist" unserer Gesellschaft, in der es eher toleriert werde, "dass Menschen sich mit Medikamenten in Leistungszustände befördern, damit wir arbeiten gehen können."

Eine Abhängigkeit lasse sich zum Beispiel erkennen, wenn jemand Sorgen hat, dass ein Medikament nicht mehr verfügbar sein könnte, sagt der Referent der Fachstelle für Suchtprävention Berlin. Oder auch wenn wir verschiedene Ärzt*innen abklappern, um an ein Rezept für eine verschreibungspflichtige Substanz zu kommen.

"Vielleicht mache ich auch ein Hopping bei Ärztinnen und Ärzten mache oder von Apotheke zu Apotheke gehe."
Marc Pestotnik, Referent bei Fachstelle für Suchtprävention Berlin

Wenn wir solches Verhalten bei Freund*innen oder in der Familie beobachten, sollten wir es offen und wertschätzend ansprechen. Wir sollten die Sorge ausdrücken und die Beobachtung klar formulieren, rät Marc Pestotnik.

Shownotes
Sucht und Fehlgebrauch
Wie wir erkennen, dass wir Medikamente falsch einnehmen
vom 18. September 2023
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Marc Pestotnik, Referent bei der Fachstelle für Suchtprävention Berlin