Die Medizin forscht überwiegend an weißen Männern. Warum das so ist und welche Auswirkungen das hat, darüber spricht die Medizinerin Marie von Lilienfeld in ihrem Vortrag.
Frauen, die einen Herzinfarkt haben, haben eine schlechtere Überlebenschance als Männer und zwar besonders dann, wenn sie von einem männlichen Arzt betreut werden. Arme Menschen erkranken häufiger an Krebs, und Menschen aus anderen geografischen Regionen verstoffwechseln Medikamente mitunter anders als die Probanden aus dem Westen, an denen sie getestet wurden.
Medizin wirkt nicht bei allen gleich, und vor allem wissen wir in der Medizin nicht über alle Menschen gleich viel, sagt die Medizinerin Marie von Lilienfeld. Sie ist Internistin mit Schwerpunkt Hämatologie-Onkologie und baut an der Ruhr-Universität Bochum das Institut für Diversitätsmedizin auf.
"Wir haben sehr häufig eine Standardtherapie, die für einige wirklich gut passt, aber viele sind durch diese Standardtherapie unter-, über- oder fehlversorgt."
Diversitätsmedizin beschäftigt sich mit dieser Evidenzlücke. Dass wir über arme Menschen, Frauen oder schwarze Menschen in der Medizin weniger wissen als über weiße, gut situierte Männer liegt unter anderem daran, dass diese in klinischen Studien überrepräsentiert sind, so die Medizinerin.
Die Standardtherapie ist nicht für alle die beste
Marie von Lilienfeld erläutert die Auswirkungen dieses Problems in ihrem Vortrag anhand des Multiplen Myeloms, einer bösartigen Tumorerkrankung von Knochen und Knochenmark. Hier zeigen Studien, dass für schwarze Menschen aus den USA die standardmäßig verabreichte hoch dosierte Chemotherapie nicht die beste Therapieart ist.
"Die medizinische Forschung ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten vornehmlich an weißen jungen und gesunden Männern aus dem westlichen akademischen Bereich durchgeführt worden."
Die Standardtherapie des Multiplen Myeloms wirkt auch bei Frauen anders als bei Männern. Marie von Lilienfeld und ihr Team haben die Nebenwirkungen der Therapie untersucht und festgestellt, dass Frauen fast doppelt so häufig sehr starke Nebenwirkungen hatten wie Männer. Das könnte daran liegen, dass für die Dosierung der Medikation eine Berechnungsmethode angewandt wird, die anhand eines männlichen Normkörpers entwickelt wurde, so die Expertin. So bekämen Frauen pro Kilogramm Körpergewicht eine höhere Dosis, hätten daher stärkere Nebenwirkungen, aber tatsächlich auch höhere Überlebenschancen. Ähnliche Beobachtungen machen wir auch bei anderen Krebserkrankungen, sagt Marie von Lilienfeld.
Marie von Lilienfeld ist Internistin mit Schwerpunkt Hämatologie-Onkologie. Sie lehrt an der Ruhr-Universität Bochum und baut dort mit ihrem Team das neu gegründete Institut für Diversitätsmedizin auf. Ihren Vortrag "Diversitätsmedizin in der Onkologie – Ein intersektionaler Ansatz" hat sie am 20. November 2023 für den Hörsaal gehalten.