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Es gibt Phasen im Leben, da entwickeln wir uns in eine andere Richtung als unsere Freunde. Was tun? Freundschaft runterfahren oder aufrechterhalten? Eine Psychologin gibt Tipps, wie wir uns wieder annähern können – oder erst mal einen Cut machen.

Manchmal haben wir auf eine bestimmte Freundschaft gerade keinen Bock. Wir ignorieren Nachrichten von dieser Person, möchten uns nicht mit ihr treffen oder lassen uns sogar Ausreden einfallen. Das kann unterschiedliche Gründe haben.

Julia hat das auch schon mal erlebt. Sie hat gemerkt, dass ihr eine Freundschaft gerade nicht gut getan hat: "Ich habe mich dann selbst so ein bisschen zurückgezogen, aber gleichzeitig ist es mir auch schwer gefallen zu akzeptieren, dass die Freundschaft vielleicht nicht das Richtige war." Für Julia war es allerdings auch schwer, das anzusprechen. Deshalb hat sie die Freundschaft einfach auslaufen lassen.

Wenn Freundschaften in einen Winterschlaf gehen

In der Schule oder im Studium gab es noch viel Kontakt. Danach schlägt aber jeder oder jede seinen Weg ein. Man hat einen neuen Job, zieht um und sieht sich kaum noch. Manchmal sind es diese äußeren Bedingungen, die dazu führen, dass Freundschaften nicht mehr so präsent sind. Aber auch persönliche Einstellungen, die sich verändern, können dazu beitragen, dass wir mit einer bestimmten Person nicht mehr auf einer Wellenlänge sind.

Freundschaften werden kaum aktiv beendet

Egal, welche Gründe es gibt, dass Freundschaften auseinandergehen – aktiv beendet werden sie trotzdem eher selten, sagt der Soziologe Janosch Schobin. Wenn Leute streiten oder es einen harten Konflikt oder Verrat gibt, dann kommt es schon zum Bruch mit einer Person, erklärt der Soziologe – häufig wird die Freundschaft aber aufrechterhalten: "Die meisten Freundschaften gehen in diesen Winterschlaf. Das heißt, die bestehen eigentlich noch. Das soziologische Kriterium für das Bestehen einer Beziehung ist, ob die Chance besteht, dass wieder Interaktion stattfindet."

"Es gibt dieses Phänomen, dass Freundschaften in einer Lebensphase einschlafen und danach wieder auftauen."
Janosch Schobin, Soziologe am Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt am Main

Der Soziologe beschreibt dies als ganz praktische Einrichtung, die Freundschaften erlauben: "Sie können in eine Beziehungsreserve gerückt werden, an die man zu späterer Zeit wieder anknüpfen kann. Und das ist eigentlich ziemlich gut. Das heißt, sie sind eigentlich noch da, rücken nur in die stille Reserve." Typischer Fall: Wenn Personen eine Familie gründen und Kinder kriegen, schlafen Freundschaften schon mal ein. Nach ein paar Jahren tauen sie aber wieder auf.

Wie wir Freundschaften reaktivieren

Durch Internet und Social Media geht das Wiederauftauen einer Freundschaft inzwischen einfacher als früher. Häufig passiere dieses Reaktivieren aber auch durch Zufall, so Janosch Schobin. "Man hat diese Phasen, in denen man ähnliche Bewegungen macht. Man geht zum Beispiel Studieren, dann geht man in einer andere Stadt, dann kehrt man aber irgendwann zurück in die Heimatstadt. Und dann trifft man sich zufällig."

Wann wir Freundschaften runterfahren sollten

Es gibt auch Situationen, da wissen wir nicht genau, wie wir mit einer bestimmten Person umgehen sollen: Freundschaft aufrechterhalten oder in den Winterschlaf schicken? Die Psychologin Muriel Mertens rät, auf bestimmte Anzeichen zu achten: "Vielleicht kennst du das Gefühl, wenn du dich nicht mehr so auf die Treffen mit der Person freust, mit der du dich mal gerne getroffen hast. Oder wenn du dich während der Treffen und Gespräche nicht mehr so super wohlfühlst." Weiteres Anzeichen: Wir denken im Alltag nicht mehr so oft an die Person.

Möglicherweise steckt die Freundschaft dann in einer Phase, in der man den Kontakt runterregulieren kann – was aber nicht zwingend heißen muss, dass die Freundschaft vorbei ist, so die Psychologin.

"Es gibt manchmal Phasen, da rücken andere Themen so in den Vordergrund, dass man nicht so viele gemeinsame Themen hat. Aber es kommen ja auch wieder andere Phasen."
Muriel Mertens, Psychologin und Life Coach

Aus Sicht der Psychologin ist es okay, wenn eine Freundschaft einvernehmlich von beiden Seiten runtergefahren wird. Was sie für ein absolutes No-Go hält, ist Ghosting. Sprich: Man bricht abrupt den Kontakt zu einer Person ab, ohne Ankündigung und Erklärung. Das passiert häufig einseitig.

Wenn in einer Freundschaft aber tatsächlich nur eine Person das Gefühl hat, die Beziehung sollte mal in den Standby-Modus geschaltet werden, dann sollte man das auf jeden Fall ansprechen. "Das sollte ich klar kommunizieren. Vielleicht auch mit dem Ziel, dass diese Freundschaft irgendwann wieder aufblühen darf, wenn das im Bereich des Möglichen liegt", so Muriel Mertens.

"Du brauchst dieses klärende Gespräch nicht, wenn du das Gefühl hast, es passt gerade so für beide Seiten."
Muriel Mertens, Psychologin und Life Coach

Dieses Gespräch sei nicht notwendig, wenn das Runterfahren der Freundschaft von beiden Seiten gewollt ist, erklärt die Psychologin. Wer aber das Gefühl hat, die andere Person vor den Kopf zu stoßen, sollte ein klärendes Gespräch suchen.

Wichtig: Gespräch face-to-face führen

Dafür gebe es eine wichtige Grundregel: von Angesicht zu Angesicht miteinander sprechen. "Mit einer Person face-to-face sprechen ist immer die beste Wahl. Danach kommt ein Videocall, danach ein Telefonat und danach jegliche Form von Textnachrichten", erklärt Muriel Mertens. Denn: "Wenn ich eine Person live sehe, dann habe ich ein Gefühl. Ich sehe die Mimik. Ich habe eine Gestik, die ich mit deuten kann. Ich habe eine Tonlage, die ich höre. All das sei für Menschen wichtig, um Kommunikation so richtig wie möglich einzuordnen."

"Es gibt eh immer eine Diskrepanz zwischen Sender und Empfänger einer Nachricht. Aber wenn ich non-verbale Kommunikation weglasse, wird es schwieriger."
Muriel Mertens, Psychologin und Life Coach

Um den Druck rauszunehmen und eine mögliche Eskalation zu vermeiden, sei es auch hilfreich, diesem Treffen gar nicht den Titel "Klärendes Gespräch" zu geben, sondern zu sagen: Hey, lass uns mal auf einen Kaffee treffen.

Offen und ehrlich sein

Ehrlich zu sein hält die Psychologin aber in jedem Fall für wichtig und fair der anderen Person gegenüber: "Wenn ich mich in die Perspektive der anderen Person hineinversetze, dann will ich gerne wissen: 'Warum hat meine Freundin gerade weniger Lust auf mich, oder warum will sie weniger Kontakt?' Damit es sich nicht so blöd anfühlt und ich in meinem Kopf nicht in Spekulationen verfalle."

Es sei auch legitim, die andere Person zu trösten, wenn es sie hart trifft, dass der Kontakt (vorerst) abgebrochen wird und möglicherweise weitere Gespräche anzubieten, um die eigene Haltung zu erläutern. Das zeigt: Ich möchte zwar weniger Kontakt, aber du bist mir weiterhin wichtig.

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Shownotes
Mehr Abstand
Wie lockern wir Freundschaften, ohne sie zu beenden?
vom 23. Mai 2025
Gesprächspartnerin: 
Muriel Mertens, Psychologin und Life Coach
Gesprächspartner: 
Janosch Schobin, Soziologe am Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt am Main
Autor und Host: 
Przemek Żuk
Redaktion: 
Anne Göbel, Christian Schmitt, Timur Gökce
Produktion: 
Marcell Christmann
Quellen: