Es ist eine Schicksalswahl: die Präsidentenwahl in Polen. Am Wahltag (18.05.2025) gab es kein eindeutiges Ergebnis, im Juni gibt es eine Stichwahl. Wird es dann Reformen geben oder wird Polen konservativer? Für Aleksandra entscheidet das ihre Zukunft.
Für Aleksandra Magrytas Zukunft ist es extrem wichtig, wer die Präsidentenwahl in Polen am 1. Juni in der Stichwahl für sich entscheiden kann. Denn die queere Aktivistin spielt mit dem Gedanken, ihr Heimatland zu verlassen, falls der nationalkonservative Karol Nawrocki Präsident wird.
Aleksandra setzt sich für die Rechte von Frauen und der LGBTQ-Community ein. Aus ihrem Bekanntenkreis kennt sie Fälle, in denen queere Paare auf offener Straße beschimpft oder verprügelt wurden.
"Ich habe gestern mit meiner Freundin darüber gesprochen und sie hat gesagt: Ok, lass uns aus Polen weggehen, falls Nawrocki die Wahl gewinnt."

Sollte der nationalkonservative Karol Nawrocki Präsident werden, erwartet Aleksandra für die kommenden Jahren weder Reformen noch mehr Gleichberechtigung. Sie befürchtet, dass die homophobe Stimmung im Land noch stärker zunehmen könnte.
Ohne Unterschrift des Präsidenten läuft nichts
Der polnische Präsident hat viel mehr Einfluss bei politischen Entscheidungen als in Deutschland zum Beispiel. Ohne die Unterschrift des Präsidenten kann kein Gesetz und keine Reform durchgebracht werden, erklärt Martha Wilczynski. Sie ist ARD-Korrespondentin in Moskau und unterstützt zurzeit das Team des ARD-Studios Warschau bei der Wahlberichterstattung für Polen. Er hat die Möglichkeit ein Veto einzulegen, wenn er beispielsweise mit einem Gesetzentwurf nicht einverstanden ist, erklärt sie.
"Es geht ja letztlich darum, ob die jetzige Regierung, die 2023 angetreten ist, ihre Wahlversprechen wird umsetzen können."
Der aktuelle polnische Präsident Andrzej Duda ist als Kandidat der nationalkonservativen PiS-Partei ins Amt gewählt worden. Er selbst bezeichnet sich als unabhängig. Der seit 2023 amtierende polnische Ministerpräsident Donald Tusk hingegen gehört der wirtschaftsliberal-konservativen Partei Platforma Obywatelska (PO) an, auch Bürgerplattform genannt.
Eine Art politische Patt-Situation seit 2023
Nicht den Rückhalt des Präsidenten zu haben, legt die polnische Regierung seit 2023 gewissermaßen politisch lahm, erklärt Martha Wilczynski. Viele der Regierungsversprechen konnte die PO nicht einlösen. Den radikalen Umbau des Staatsapparats durch die PiS-Partei wollte die PO in Teilen wieder rückgängig machen.
Aber etliche der politischen Maßnahmen haben es noch nicht einmal durch das Parlament geschafft. Das hat viele Menschen, vor allem Wählerinnen, enttäuscht, erklärt die Journalistin.
Enttäuschung hat die Wahl beeinflusst
Deswegen war der Vorsprung des pro-europäischen Präsidentschaftskandidaten Rafal Trzaskowski, der auch zur Partei PO gehört, wahrscheinlich auch nur so gering, schätzt Martha Wilczynski.
Bei der Präsidentschaftswahl hat Rafal Trzaskowski 31,3 Prozent der Stimmen erhalten, während Karol Nawrocki 29,5 Prozent bekommen hat. Viele enttäuschte Wählerinnen könnten ihre Stimme einem linken Mitkandidaten gegeben haben, sagt unsere Korrespondentin. Die weiteren elf Kandidatinnen und Kandidaten sind nun allerdings schon aus dem Rennen.
"Es hat Frauen gegeben, die gestorben sind, weil eine Abtreibung notwendig gewesen wäre, die Kliniken sich aber nicht getraut haben, eine Abtreibung vorzunehmen."
Ein entscheidender Punkt für viele Wählerinnen ist das sehr strenge Abtreibungsgesetz in Polen, sagt Martha Wilczynski. Selbst Frauen, die aus medizinischen Gründen ein Abtreibung bräuchten, werden von Kliniken aufgrund des strengen Gesetzes nicht operiert. Dadurch kam es auch schon zu Todesfällen, berichtet sie Das hätte viele dazu motiviert, bei den Parlamentswahlen im Jahr 2023 wählen zu gehen.
Der nationalkonservative Präsidentschaftskandidat Karol Nawrocki erweist sich in diesem Zusammenhang als Hardliner. Er bezeichne Abtreibungen mitunter auch als Mord, sagt die Korrespondentin.
Menschen mobilisieren, Trzaskowski zu wählen
Die Aktivistin Aleksandra Magryta befürchtet, dass Karol Nawrocki die Stichwahl um das Präsidentenamt am 1. Juni für sich entscheiden könnte. Sie geht davon aus, dass dann keine Veränderungen im sozial-bürgerlichen Bereich zu erwarten sind. Eine Reform des Migrationsrechts, die Neuregelung von Lebenspartnerschaften oder eine Reform des Abtreibungsrechts etwa hält sie unter Nawrocki als polnischem Präsidenten für sehr unwahrscheinlich.
Deswegen möchte Aleksandra zu Stichwahl in zwei Wochen so viele Menschen wie möglich mobilisieren und sie motivieren, ihre Stimme dem liberalen Kandidaten Trzaskowski zu geben.
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