Wir haben eine Krawatte im Studio gefunden und verschenkt. Ein Hörer wollte sie tatsächlich haben. Generell scheint der Trend zur Krawatte für Männer weitgehend vorbei zu sein. Für Frauen gilt das nicht.
Wie die kupferfarbene Krawatte in unser Sendestudio gelangt ist, konnte keiner sagen. Und wem sie ursprünglich gehört hat, auch nicht. Eine ganze Weile lag sie bei uns im Studio herum. Dann hatte jemand die Idee, das Modeaccessoire einfach zu verschenken. Und siehe da, einer unserer Hörer, Markus aus Thüringen, wollte das traditionsreiche Stück Stoff gerne haben.
Markus' bester Freund hat gerade erst seiner Freundin einen Antrag gemacht. Für Markus war damit absehbar, dass er für die anstehende Hochzeitsfeier ein angemessenes Outfit benötigt. Unsere kupferfarbene Krawatte schien ihm der perfekte Hingucker zu sein, um seinen Anzug zu komplettieren.
"Sie möchten schon seriös rüberkommen, aber gleichzeitig Kundennähe haben und das heißt eben, dass sie die Krawatte weglassen möchten."
Mit seiner Entscheidung, zur Hochzeit seines besten Kumpels eine Krawatte zu tragen, setzt Markus quasi einen Gegentrend. Denn auch in Branchen wie Banken, in denen das längliche Stück Stoff lange zum Dresscode gehörte, verschwindet es immer mehr von der Bildfläche.
Seriös ja, aber ohne Krawatte
Das führt die Image- und Stilberaterin Maike Lassen darauf zurück, dass das Weglassen der Krawatte die Nähe zum Kunden festigen soll, weil sie dessen Kleidungsstil stärker entspricht.
Seriös soll der Kleidungsstil von Bankmitarbeitern weiterhin sein, aber eine Krawatte ist nicht mehr zwingend notwendig, um diesen Effekt zu erreichen, weiß Maike Lassen, die selbst einen Dresscode für eine Bank gestaltet hat.
"Ich hab für eine Bank einen Dresscode ausgearbeitet, wo ein seriöser Kleidungsstil ohne Krawatte entwickelt wurde.“
Spitzenpolitiker, die bewusst auf die Krawatte verzichten
Auch in der Politik hat sich gezeigt, dass es auch ohne Krawatte geht. Alexis Tsipras, der ehemalige griechische Ministerpräsident, und der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis traten 2015 gemeinsam krawattenlos auf internationalem Parkett auf. Medien berichteten über Spitzenpolitiker, die dadurch als besonders lässig wahrgenommen wurden.
Auch Markus Söder und Armin Laschet haben während ihrer Abstimmung zur Kanzlerkandidatur in den letzten Wochen beide keine Krawatte getragen, sagt die Stilberaterin Maike Lassen. Sie führt das darauf zurück, dass sie dadurch nahbarer wirken und eine größere Nähe zu den Bürgern schaffen wollen.
Casual Friday - der Anfang vom Ende
Der Niedergang der Krawatte könnte aber auch schon mit dem Casual Friday in den USA angefangen haben, der dann irgendwann auch auf den Rest der Woche ausgedehnt wurde. In der Start-up-Szene galt die Krawatte von Anfang an als No-Go. Daran orientieren sich wohl inzwischen auch die großen Konzerne, die sich lieber ein modernes Image geben wollen.
Dieser Trend schlägt sich in den Statistiken nieder: In den vergangenen zehn Jahren wurden immer weniger Krawatten nach Deutschland importiert – die Zahl hat sich fast halbiert. Dass sie aber nicht völlig verschwinden wird, zeigen Modelabel wie Paco Rabanne, Missoni, Isabel Marant, Saint Laurent und Burberry, die das Symbol für den alten weißen Mann nun zum It-Piece für die moderne junge Frau umdefinieren.
Gesundheitliche Probleme durch Krawatten
Eine Studie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein kommt zu dem Schluss, dass dauerhaftes Schlips-Tragen gesundheitliche Probleme mit sich bringen kann. Eine zu eng gebundene Krawatte könne dazu führen, dass weniger Blut ins Hirn fließt und das dadurch die Leistung des Gehirns verringert werden kann.
Die Studie einer New Yorker Augenklinik stellt fest, dass zu eng gebundene Krawatten auch zu Grünem Star führen können. Denn die Enge am Hals sorge dafür, dass der Augeninnendruck steige.