Forschende glauben, ein Modell erkannt zu haben, mit dem sie vorhersagen können, wie sich die öffentliche Meinung ändert. Grundlage sind ein Modell der Meinungsdynamik und Kenntnisse über moralische Argumentation
Die öffentliche Meinung zu gesellschaftlichen Themen ändert sich. Das ist ein Prozess, den wir beispielsweise an der Diskussion um die "Ehe für alle" beobachten können, oder bei Abtreibung und Sterbehilfe. Wie man zu diesen Themenfeldern steht, basiert auf jeweiligen Moralvorstellungen. Aber die sind wandelbar.
Ein Team aus schwedischen Forschenden hat eine Studie erstellt, die sie vor Kurzem in der sozialwissenschaftlichen Zeitschrift Nature Human Behavior veröffentlicht haben. Darin beantworten sie Fragen zur Veränderung der öffentlichen Meinung und stellen einige Muster fest. Die Forschenden glauben sogar, vorhersagen zu können, wie sich die öffentliche Meinung verändert.
Verbindung zwischen moralischen Positionen und moralischen Argumenten treibt Meinungswechsel an
Die Forschenden kommen zu dem Ergebnis, dass die Verbindung zwischen moralischen Positionen und moralischen Argumenten den Meinungswechsel antreibt. Sie sagen, dass sich Meinungen vor allem dann ändern, wenn die Argumentation belegt, dass der Sachverhalt, worum es geht, niemandem schadet und fair ist. Bei der "Ehe für alle" ist das beispielsweise der Fall.
Hier sagen die Forschenden, dass sich die öffentliche Meinung zu diesem Thema relativ schnell geändert habe. Anders sei das beim Thema Abtreibung gewesen.
Für ihre Studie haben die Forschenden in die Geschichte geguckt und sich den Werteverlauf der letzten 44 Jahre angeschaut. Dazu haben sie sich an systematischen und regelmäßigen Umfragen aus den USA seit den 70er Jahren bedient, wo es unter anderem um LGBT-Rechte wie die gleichgeschlechtliche Ehe, um Abtreibung, Todesstrafe oder Waffenbesitz geht.
Öffentliche Meinung verschiebt sich zu Gunsten liberaler Positionen
Bei all diesen Themen hat sich die öffentliche Meinung politisch nach links verschoben, also zugunsten liberaler Positionen. Das ließe sich laut Studie sowohl anhand der Umfrageergebnisse gut nachvollziehen als auch anhand von Wahlergebnissen oder tatsächlich erlassener Gesetze.
Die Forschenden wollten wissen, warum das so ist. Deshalb haben sie in der Studie untersucht, welche Argumente für bestimmte Positionen vorgebracht wurden oder noch werden. Am Ende lassen sich alle Argumente in einem Modell der Meinungsdynamik in fünf Gruppen einteilen.
Fairness und Loyalität ist Konservativen und Liberalen wichtig
Es geht um Schaden, also ob zum Beispiel jemand dadurch Nachteile hat, wenn zwei Schwule heiraten, es geht um Fairness, um Loyalität, um Autorität und um Lauterkeit und Anständigkeit.
Interessant ist bei diesen Kategorien folgendes: Frühere Studien haben schon gezeigt, dass die letzten drei Gruppen von Argumenten nur von Konservativen als wichtig angesehen werden. Die ersten beiden aber, also ob etwas anderen schadet oder fair ist, finden dagegen Konservative und Liberale wichtig. Deshalb: die Verschiebung in Richtung liberal.
"Der Kulturkampf wird - zumindest grundsätzlich - von den Liberalen gewonnen und nicht von den Konservativen."
Anhand ihres Modells glauben die Forschenden sogar, vorhersagen zu können, welche Meinungen sich schnell und welche weniger schnell wandeln werden. Dazu schauen sie sich einfach die Argumentationsmuster und die jeweilige Nähe zu liberalen Positionen an.