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Jeden Tag wird in Deutschland eine Frau getötet. In circa der Hälfte der Fälle tötet der Partner oder Ex-Partner. Eine elektronische Fußfessel nach spanischem Vorbild für potenzielle Täter wird deshalb diskutiert. Doch könnte sie die Zahl der Femizide wirklich senken?

In Deutschland wird fast jeden Tag eine Frau oder ein Mädchen getötet. Das zeigen Zahlen des Bundeskriminalamtes. Doch Femizid ist kein eigener Straftatbestand. Das heißt, man kann nicht explizit wegen der Tötung einer Frau angeklagt oder bestraft werden. Somit werden Femizide in Deutschland wie alle anderen Tötungen (Morde oder Totschlag) geahndet und bestraft. In Italien hingegen steht die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts als eigenständiges Verbrechen im Strafgesetzbuch.

Femizid – dem deutschen Recht fehlt das Wort

Aktivistin Lilly findet das Verständnis, das die Politik von Femiziden hat, problematisch. "Das Bundeskriminalamt definiert Femizid mit der Tötung von Frauen und Mädchen", erklärt Lilly. Doch das sei nicht spezifisch genug, kritisiert sie, weil dabei die geschlechtsspezifischen Motive der Tat nicht berücksichtigt würden.

"Wir wollen den Begriff Femizid nutzen, um ein Muster bei diesen Tötungen aufzuzeigen. Und wenn man dieses Muster, also das geschlechtsspezifische Motiv ignoriert, dann finde ich, verpasst man eine Chance."
Lily Instagram-Account @femizide_stoppen

Lilly beschäftigt sich mit dem Thema Femizid seit Ende 2021. Damals wurde ihre Freundin und deren Sohn getötet. Der Täter, der auch der Vater des Sohnes war, wollte seine Vaterschaft nicht anerkennen und war nicht bereit, Unterhaltszahlungen zu leisten.

Lilly war über die Tat entsetzt, aber auch darüber, dass es kaum überregionale Berichterstattung gab. "Es gab keine politische Einordnung, die gesamtgesellschaftliche Empörung blieb aus. Das fanden wir sehr schmerzhaft." Um Femizide gesellschaftlich und politisch sichtbarer zu machen, aber auch um sich mit Hinterbliebenen zu solidarisieren, hat sie gemeinsam mit einer Freundin den Instagram-Account @femizide_stoppen gestartet.

Elektronische Fußfessel bei Hochrisikofällen auch in Deutschland denkbar?

Eine konkrete Maßnahme, um Frauen zu schützen, ist die elektronische Fußfessel. In Spanien gibt es sie bereits seit 2009. Femizide gibt es seitdem weiterhin, doch die Wirkung der Fußfessel ist eindeutig, sagt Spanien-Korrespondentin Julia Macher.

"Es gab 2024 keine Tötungsdelikte in Fällen, bei denen die elektronische Fußfessel verhängt worden war."
Julia Macher, Spanien-Korrespondentin

Wie die in Spanien eingesetzte Fußfessel funktioniert, erklärt Julia Macher: Männer, die bereits Gewalttaten gegen eine Frau verübt haben, können gerichtlich verordnet eine elektronische Fußfessel umgeschnallt bekommen. Diese löst einen Alarm aus, wenn der Mann sich der bedrohten Frau nähert oder versucht, die Fußfessel zu manipulieren. Der Alarm wird doppelt ausgelöst: Einmal erfährt die Frau davon. Zeitgleich wird die Polizei benachrichtigt und kann eine Streife vorbeischicken.

Inzwischen wird auch in Deutschland diskutiert, eine Fußfessel nach dem spanischen Modell einzuführen. Union und SPD haben sie in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Bei der Mitte Juni 2025 stattfindenden Innenministerkonferenz wird sie ebenfalls diskutiert.

Das ist längst überfällig, sagt Dorothee Dienstbühl. Sie ist Professorin für Kriminalistik an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg. Zudem begleitet sie ehrenamtlich Frauen, die von häuslicher und innerfamiliärer Gewalt betroffen sind.

"Die elektronische Fußfessel ermöglicht es, dass Frauen fliehen können und die Polizei schnell eingreifen kann. Das ist in Akutfällen unglaublich wichtig."
Dorothee Dienstbühl, Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg

Tatsächlich gibt es in Deutschland bereits Bundesländer, darunter Brandenburg, in denen die elektronische Fußfessel in Hochrisikofällen eingesetzt werden kann, sagt Dorothee Dienstbühl. Doch insgesamt kritisiert sie die Regelungen je nach Bundesland als zu uneinheitlich.

Dorothee Dienstbühl: Opferschutz muss priorisiert werden

Als Gegenargument für die Fußfessel wird oft der Datenschutz genannt. Denn um eine Fußfessel anzuordnen, braucht die Polizei Informationen über den Täter. Dorothee Dienstbühl bezeichnet das als "vorgeschobenen Grund". Sie spricht sich dafür aus, den Schutz der Frau zu priorisieren.

"Wenn für eine Frau eine Bedrohungslage vorliegt, gibt es in der Regel sehr, sehr starke Warnsignale, beispielsweise artikuliert der Täter klar, was er der Frau androht. Oft ist die Frau auch unglaublicher Gewalt ausgesetzt."
Dorothee Dienstbühl, Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg

Doch eine elektronische Fußfessel sei nicht die einzige Maßnahme, um gegen Femizide vorzugehen. Dorothee Dienstbühl verweist auf Kanada, wo computergestützte Programme eine Risikoanalyse berechnen. So etwas bräuchte es in Deutschland auch. "Morde an Frauen müssen genau untersucht werden, um herauszufinden, welche Warnzeichen es gab und wann man hätte eingreifen können", sagt sie.

Nicht zuletzt fordert Dorothee Dienstbühl einen anderen gesellschaftlichen Umgang mit Femiziden. Ihrer Beobachtung nach beschäftigen wir uns zu viel mit den Tätern oder fragen nach der Schuld. Und dann landen wir oft bei der Frau, die doch das Opfer ist, so Dorothee Dienstbühl. "Dann wird gefragt, warum ist sie mit ihm zusammengeblieben? Warum war sie nicht im Frauenhaus?" Von diesen Fragen, die letztlich zu einer Opfer-Täter-Umkehr führten, müssten wir uns verabschieden und stattdessen empathisch mit den Opfern sein, um sie trauern und uns offen mit ihnen solidarisieren.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Morde an Frauen
Was bringt die Fußfessel gegen Femizide?
vom 11. Juni 2025
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartnerin: 
Julia Macher, Korrespondentin in Spanien
Gesprächspartnerin: 
Lilly, auf Instagram @femizide_stoppen
Gesprächspartnerin: 
Dorothee Dienstbühl, Professorin für Kriminalistik an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg
Unsere Quellen: