Schillernd, märchenhaft, für die kostbarsten Kleidungsstücke wird Muschelseide verwoben. Hergestellt wird sie aus den Byssusfäden der Muscheln, die sich damit am Meeresboden verankern.

Gewonnen wird die Muschelseide von der Großen Steckmuschel. Das besondere an Muschelseide oder den Bysssusfäden ist, dass sie ungemein widerstandsfähig sind. Die Muschel produziert ein zähflüssiges Eiweißsekret, das sie aus der Byssusdrüse ausscheidet. Sobald der Faden mit Wasser in Berührung kommt, erstarrt er und härtet aus. So entsteht ein hornartiger Faden, an dessen Ende sich ein kleines Haftplättchen bildet, mit dem sich die Muschel an Sandkörner, Steinen und Felsen befestigt. Diese Fäden sind feiner als jeder Seidenfaden und zudem extrem reißfest. Außerdem schillert der Faden von olivgrün über braun, schwarz bis hin zu einem goldenen Farbton.

Samtweich kneten

Um aus den Byssusfäden Muschelseide herzustellen, müssen Taucher die Muscheln samt Verankerung aus dem Meeresboden ziehen, erklärt Tierexperte Mario Ludwig. An Land werden dann die Byssusfäden von der Muschel abgetrennt, in Wasser gespült und in Lauge eingeweicht. Bis aus den Byssusfäden samtige Muschelseide wird, muss sie aber noch aufwändig mit den Fingern weich gerieben und mit einem stählernen Kamm glatt gebürstet werden. Um ein Kilo Muschelseide zu gewinnen, müssen 4000 Muscheln getötet werden.

Luxusprodukt

Muschelseide ist ein uraltes Produkt, schon die Pharaonen haben sich Kleidung aus Muschelseide herstellen lassen. Dem kostbaren Textil werden wundersame Eigenschaften zugeschrieben und war ein wahres Luxusprodukt, sagt Mario Ludwig. Weltweit sind nur wenige Kleidungsstücke erhalten geblieben. In der zoologischen Sammlung der Universität Rostock sind ein paar Handschuhe aus Muschelseide zu sehen.

Rätselhaftes Tuch

Eines der bekanntesten erhaltenen Textilien aus Muschelseide ist der "Schleier von Manopello". Zu sehen ist eine Ikone auf einem hauchdünnen Tuch aus Muschelseide, das als Reliquie in der Stadt Manopello in den Abruzzen verehrt wird. Das Tuch gibt der Wissenschaft viele Rätsel auf, denn Muschelseide ist nicht bemalbar, dennoch wurden Farbpigmente gefunden. Und das Tuch ist so dünn, dass man von beiden Seiten Zeitung hindurch lesen kann und trotzdem das Gesicht Jesu zu erkennen ist.

Heute wird Muschelseide nicht mehr hergestellt, weil die Steckmuschel sehr selten geworden ist. 1992 hat die EU die Steckmuschel unter Schutz gestellt.

Shownotes
Das Tiergespräch
Märchenhaftes Textil
vom 31. Dezember 2014
Moderator: 
Markus Dichmann
Gesprächspartner: 
Mario Ludwig, Tierexperte