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Der Eurovision Song Contest will unpolitisch sein – so steht es in den Regeln. Wie schon 2024 wird aber auch in diesem Jahr gegen Israels Teilnahme protestiert. Wieso es so schwer ist, die Weltpolitik von der ESC-Bühne zu halten.

"United by Music": Das ist das Motto des Eurovision Song Contests. Festgeschrieben seit 2023. Totale Einigkeit Jahr für Jahr. Weder der Krieg in der Ukraine, weder der Krieg im Nahen Osten, noch andere Konflikte und Krisen sollen in dem Wettbewerb einen Platz haben.

"Wir wollen zeigen, dass es eine Sache gibt, die uns alle verbindet, trotz dieser ganzen Kriegen und trotz des ganzen Hasses."
Isaak Guderian, ESC-Teilnehmer für Deutschland 2024

2025 müssen die Teilnehmenden erstmalig einen Verhaltenskodex unterschreiben, der unter anderem politische Aussagen verbietet. Für Isaak Guderian sind auch solche Verbote bereits politisch. Das erklärt sich aus seine recht breiten Politik-Definition. Er hat 2024 Deutschland beim ESC repräsentiert und sagt heute: "Das Problem ist, dass man nicht nicht-politisch sein kann, weil Politik ist im Prinzip Kommunikation und nicht zu kommunizieren, ist auch eine Kommunikation."

Zur Meinungslosigkeit verpflichtet

Der Veranstalter, die European Broadcasting Union – kurz EBU – , hat für 2025 verfügt, dass nur noch die Landesflaggen mit auf die Bühne dürfen, keine anderen, auch keine Regenbogenflagge. Auf dieser symbolischen Ebene werden LBQTI-Minderheiten in diesem Jahr also nicht repräsentiert sein. Rassistische Symbolik ist explizit verboten.

Im Code of Conduct heißt es dazu auf Seite zwölf: "Promoting, carrying into, or wearing on any event premises any political, religious (other than personal religious objects), racist, or promotional material, signs, objects, or messages is prohibited."

Ein Grund für die neue Strenge: 2024 Jahr haben die Proteste und Diskussionen um Israels Teilnahme den Wettbewerb überschattet. Die israelisch-russische Teilnehmerin Eden Golan wurde 2024 in Malmö ausgebuht. Auch Morddrohungen hat sie in der Folge erhalten.

"Musiker haben schon immer politische Statements gemacht, und das gehört auch irgendwie ein Stück zu der Kunst dazu."
Isaak Guderian, ESC-Teilnehmer für Deutschland 2024

Die Konflikte um nationale Selbstbestimmung und die Freiheitsrechte von Minderheiten werden jedoch schon deutlich länger auf der ESC-Bühne ausgetragen. Beispielhaft die Ablehnung des georgischen Wettbewerbsbeitrags "We Don't Wanna Put In" im Jahr 2009. Russland ist, seit das Land einen offenen Krieg gegen die Ukraine führt, von der Teilnahme ausgeschlossen.

Der Krieg im Nahen Osten ist in Basel im Vergleich zum ESC 2024 ein bisschen in den Hintergrund getreten (Stand 16.05.2025), sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Jan Borree. Er hat den Vergleich. Denn 2024 war er in Malmö vor Ort und sagt heute: "Dieses Jahr, gibt's nicht mehr diesen ganz, ganz großen Aufschrei. Es normalisiert sich." Er erinnert aber auch daran, dass im zweiten Halbfinale 2025 leise Pfiffe bei Israels Auftritt zu hören waren. Konkret gab es in Basel bislang eine kleinere Demonstration und eine Petition gegen die Teilnahme Israels. Für israelische Fans gilt außerdem eine Reisewarnung.

Offene Ablehnung für Eden Golan

Jan Borree sagt, dass sich die EBU 2025 offenbar deswegen gegen eine Pressekonferenz aller Teilnehmenden am Finale entschieden hat, weil es 2024 recht offene Ablehnung gegen die Repräsentantin Israels, Eden Golan, gegeben hat. Der niederländische Teilnehmer Joost Klein hatte sich während ihres Statements demonstrativ die Fahne über den Kopf gezogen und die griechische Teilnehmerin hatte sich schlafend gestellt.

"Jetzt gibt es nur noch eine Pressekonferenz am Ende vom Finale mit dem Sieger oder der Siegerin. Das ist natürlich doof für die freie Presse. Aber so werden natürlich auch Statements verhindert."
Jan Borree, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Schon bereits die erste Ausstrahlung des ESC 1956 sei ein politisches Ereignis gewesen: "Europa war noch vom Weltkrieg gezeichnet. Und das sollte eben durch so eine musikalische Show geeint werden." Und Jan Borree erinnert auch an 2016. In diesem Jahr setzte die ukrainische Teilnehmerin Jamala mit "1944" ein Statement gegen die russische Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im Jahr 2014 – damit begann die offene militärischen Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und Russland.

"Das ist eine Utopie, dass man sagen kann, der ESC ist unpolitisch, der findet ja nicht im luftleeren Raum statt."
Jan Borree, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Das Ziel des Veranstalters sei jedenfalls klar, sagt Jan Borree: "Die EBU will ganz offensichtliche politische Statements ausschließen." Ob es der EBU nun tatsächlich gelingt, politische Statements im Wettbewerb zu unterdrücken, werde sich dann erst im Finale in Basel zeigen.

Unser Bild zeigt einen Zuschauer mit erhobener palästinensischer Flagge während der Generalprobe Yuval Raphaels für das zweite Halbfinale des Eurovision Song Contests 2025. Sie vertritt Israel in Basel.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Musik ja. Meinung nein?
Warum der ESC nie unpolitisch war
vom 16. Mai 2025
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartner: 
Isaak Guderian, ESC-Teilnehmer für Deutschland 2024
Gesprächspartner: 
Jan Borree, Deutschlandfunk-Nova-Reporter in Basel