"Das Leben ist wieder normal in der Türkei", sagt der türkische Ministerpräsident Yildirim. Der Putschversuch hat die Lager allerdings noch stärker gespalten. Rohe Gewalt, Selbstjustiz und eine politische Hexenjagd beherrschen die Lage.

Am späten Freitagabend (15.07.) verbreitet sich im Netz die Nachricht, dass Teile des türkischen Militärs gegen die Regierung putschen. Staatstreue Polizisten und Soldaten liefern sich Straßenschlachten und Schusswechsel. Staatspräsident Erdogan ruft seine Anhänger auf, sich den Putschisten entgegen zu stellen. Die Soldaten ergeben sich in den frühen Morgenstunden. Der Putschversuch wird niedergeschlagen.

"Von einer Normalisierung kann ich nicht sprechen. Schon vor dem Putsch gab es einen hohen Grad an Polarisierung. Jetzt, nach diesem Interventionsversuch, wird alles nur noch schwarz-weiß gesehen."

Am Tag nach dem Militäraufstand kann von einer Normalisierung nicht die Rede sein. Die Situation ist hoch explosiv und Gewalt geladen. Junge Soldaten, die sich bereits ergeben haben, werden von Erdogan-Anhängern auf offener Straße gefoltert und gelyncht.

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Verschwörungstheorien machen im Netz die Runde. Staatspräsident Erdogan bezeichnet den Kleriker Fetullah Gülen als den Drahtzieher und Verantwortlichen. In den sozialen Netzwerken spekulieren viele, dass Erdogan selbst den Putsch inszeniert habe oder zumindest wusste, dass er stattfinden würde.

Erdogan geht gestärkt hervor

Außer Frage steht, dass Erdogan gestärkt aus dem Putschversuch hervorgeht. Auch Gegner der AKP-Regierung verurteilen den Versuch, die demokratisch gewählte Regierung zu stürzen. Denn das hätte vor allem eine Destabilisierung des Landes zur Folge.

"Zu glauben, dass diese Regierung ihre Kritiker nicht auf Listen festgehalten hätte, das wäre sehr gutgläubig."

Staatspräsident Erdogan nutzt die Gelegenheit, um noch härter gegen politische Gegner vorzugehen. Schon vor dem Putschversuch hatte er dutzende Journalisten und Wissenschaftler festnehmen lassen. Von 2745 Richtern und Hunderten von Soldaten ist die Rede, die nach dem Putschversuch inhaftiert wurden.

Ministerpräsident Binali Yildirim äußerte den Gedanken, die Todesstrafe wieder einzuführen. Erdogan kann nun weitere Schritte vornehmen, um das Präsidialsystem einzuführen, das er seit Monaten durchsetzen möchte.

"Wenn man jetzt nur die leiseste Kritik an der Art und Weise, wie man mit diesen Putschisten oder diesem Aufstand umgeht, äußert, dann wird man schnell zum Verräter erklärt."

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Shownotes
Nach dem Putschversuch in der Türkei
"Man wird schnell zum Verräter erklärt"
vom 17. Juli 2016
Moderation: 
Steffi Orbach
Gesprächspartner: 
Murad Bayraktar, Journalist