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Verena musste lernen, sich mit ihrem Körper wohlzufühlen. Angezogen und nackt. Welchen Einfluss Social Media auf unser Verhältnis zu Nacktheit haben kann und wie wir mehr ins Fühlen kommen können, erklären zwei Expertinnen.

Machst du das? Jetzt? Wirklich? Diese Gedanken gehen Verena durch den Kopf, als sie zum Sport gehen will. Ihr Zwiespalt hat nichts mit dem eigentlichen Training zu tun. Es geht um ihre Beine. Verena will nämlich eine kurze Hose anziehen. Und damit wären ihre Beine zum Großteil nackt.

Damit fühlt sie sich aber nicht ganz wohl. "Das war ein Riesending für mich. Weil meine Beine etwas sind, was ich an meinem Körper weniger mag als andere Stellen", sagt sie rückblickend.

Sie ist hin- und hergerissen. Einerseits ist es sehr warm und sie möchte sich auch luftig kleiden. Aber, was denken die anderen? "Dann gucken bestimmt alle auf deine delligen Beine", ist eine ihrer Sorgen.

Am Ende entscheidet sich Verena doch für die kurze Hose und stellt fest: Für ihre Beine hat sich niemand interessiert, das Training war richtig gut, alle hatten eine kurze Hose an. Und: Es gibt die unterschiedlichsten Beine.

"Vorher war das alles so stark geprägt von: Wie finden andere mich – vor allem Männer? Im letzten Jahr habe ich dann angefangen zu überlegen: Was will ich für mich?"
Verena, macht Social-Media-Posts zu Körperakzeptanz, Mode und Gesundheit

Sich mit ihrem Körper wohlzufühlen, das war für Verena ein Prozess. Früher hat sie häufiger versucht, sich zu verstecken. Als Teenie im Schwimmbad hat sie zum Beispiel eine Badeshorts getragen und manchmal zusätzlich ein T-Shirt. Oder sie ist gar nicht schwimmen gegangen.

Körper kommentieren? Neee!

Im Teenager-Alter wurde ihr Körper auch das erste Mal von einer anderen Person abwertend kommentiert. Wie andere sie wahrnehmen könnten, besonders Männer, das war für Verena lange ein Thema. Im vergangenen Jahr hat sie aber ihren Fokus verändert. Weg von den anderen, hin zu sich selbst. Jetzt fragt sie sich: Was fühlt sich für mich gut an?

Sie wollte sich allgemein besser in und mit ihrem Körper fühlen. Dafür stellte sie ihre Ernährung um und fing an, Sport zu machen. "Dadurch ist mir sehr egal geworden, die meiste Zeit, was andere über meinen Körper denken könnten", erklärt sie.

An manchen Tagen läuft das besser, an anderen schlechter. Allgemein fühlt sie sich aber ziemlich wohl und gut mit ihrem Körper. Sie geht auch sanfter mit sich selbst um. In Momenten, in denen negative Gedanken aufkommen, spricht sie so mit sich, wie sie es mit einer guten Freundin machen würde, statt sich selbst abzuwerten.

Verena stellt sich auch öfter mal nackt vor den Spiegel und schaut sich bewusst bestimmte Bereiche an. Aber das macht sie mit einem beobachtenden und neugierigen Blick, nicht wertend.

Nacktheit und Scheu

Wie wir mit Nacktheit umgehen, hat sich in den vergangenen Jahren verändert, glaubt Maren Möhring. Sie ist Kulturhistorikerin an der Uni Leipzig und forscht seit vielen Jahren zu der Geschichte und dem Verhältnis der Deutschen zur sogenannten Freikörperkultur (FKK). Besonders bei jungen Leuten beobachte sie eine größere Scheu, sich nackt zu zeigen.

"Die FKK-Bewegung war ein wichtiger Faktor, auch neue Vorstellungen von Körpern und Körperpraktiken durchzusetzen."
Maren Möhring, Kulturhistorikerin, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Kulturwissenschaften, Universität Leipzig

In Deutschland war FKK lange eine große Sache und historisch gesehen eine wichtige Bewegung. Am Strand, am See oder sonstwo draußen nackt zu sein, war davor ein Tabu. Durch die FKK-Bewegung gab es einen neuen Blick auf Körper und Körperpraktiken, so die Kulturhistorikerin.

Das war allerdings in einer Zeit, in der es keine Sozialen Medien gab. Hier vermutet Maren Möhring einen Grund für die Scheu beim Nacktsein, die sie bei Jüngeren wahrnimmt. "Mittlerweile müssen wir, egal wo wir sind, immer damit rechnen, dass jemand mit seinem Smartphone Fotos, Videos oder ähnliches macht und das noch ins Internet stellt. Dass sozusagen der Besitz der eigenen Nacktheit nicht mehr garantiert ist und man nicht weiß, was andere mit den Bildern machen", erklärt sie.

Vom Aussehen zum Fühlen

Das Internet vergisst nie. Gleichzeitig kann es auch ein Ort des Vernetzens und der Vielfalt sein. Für Verena zum Beispiel ist Social Media eine Möglichkeit, die unterschiedlichsten Körperformen zu sehen. Dafür achtet sie darauf, wem sie folgt. Sie spricht auf ihrem eigenen Kanal auch über Körperakzeptanz und Mode. Ihr hat das geholfen, sich mehr mit ihrem eigenen Prozess auseinanderzusetzen: Weg vom Aussehen, hin zum Fühlen.

Solche Prozesse begleitet auch Amelie Boehm. Die Psychologin und Sexologin erlebt in Gesprächen mit ihren Klient*innen immer wieder, dass Menschen sich mit ihren nackten Körpern unwohl fühlen oder Scham empfinden.

Vieles davon haben wir durch unser Umfeld gelernt, sagt sie: "Wie wird mit nackten Körpern umgegangen? Wie wird über sie gesprochen? Das alles hat einen Einfluss darauf, wie wir uns fühlen. Weil erstmal ist der nackte Körper an sich ja das Natürlichste." Der Körper sei in erster Linie da. Ganz ohne Bewertung. Er begleite uns durchs Leben und leiste jeden Tag unheimlich viel - angezogen oder nackt.

"Ist es denn so wichtig, wie er aussieht dieser Körper? Oder ist es wichtiger, wie er sich anfühlt?"
Amelie Boehm, Psychologin und Sexologin

Es sei okay, keine Lust zu haben, den Körper nackt im Spiegel zu betrachten, sagt Amelie Boehm: "Es ist auch okay, dass man nicht ein absolutes Wohlgefühl dabei empfindet, wenn man sich nackig sieht." Auch das dürfe sein.

Wer sich dabei aber lieber wohlfühlen möchte, der könne das über verschiedene Wege machen. Ihre Tipps:

  • Auf Wiederholung setzen: Sich immer wieder nackt ansehen. Je öfter wird das machen, desto mehr gewöhnen wir uns daran, was wir sehen. Alles, was wir häufig sehen, interpretiert unser Gehirn als gut und sympathisch, erklärt die Psychologin.
  • Lächeln: Beim Blick in den Spiegel lächeln. So senden wir an unser Gehirn die Nachricht, dass wir angenehm finden, was wir sehen.
  • Zu Hause auch mal nackt sein: Hierbei geht es vor allem darum, mehr ins Fühlen zu kommen, den Körper wahrzunehmen.

Besonders den letzten Punkt, das Fühlen, hält die Psychologin für hilfreich. "Wohlgefühl über Wahrnehmen zu erreichen, ist manchmal fast einen Schritt einfacher oder vielleicht auch näher an dem, was man sich wünscht – weil wir gucken uns nicht die ganze Zeit an", sagt sie. Wenn wir zum Beispiel mit einer anderen Person intim werden und nackt sind, sehen wir unseren Körper in der Regel nicht dabei. Hier gehe es viel mehr darum, wie wir uns in unserem Körper fühlen.

Die Psychologin beschreibt den Perspektivwechsel, von dem Verena erzählt: Nicht auf den Blick von außen fokussieren, sondern auf uns, auf unser Inneres – und das dann nach außen tragen.

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Shownotes
Nackt sein
Wie fühlen wir uns wohl in unserem Körper?
vom 19. September 2025
Gesprächspartnerin: 
Verena, macht Social-Media-Posts zu Körperakzeptanz, Mode und Gesundheit
Gesprächspartnerin: 
Amelie Boehm, Psychologin und Sexologin
Gesprächspartnerin: 
Maren Möhring, Kulturhistorikerin, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Kulturwissenschaften, Universität Leipzig
Autorin und Host: 
Shalin Rogall
Redaktion: 
Yevgeniya Shcherbakova, Stefan Krombach, Scott Heinrichs, Anne Bohlmann, Ivy Nortey 
Produktion: 
Philipp Adelmann