In der Koalition wächst die Kritik daran, wie Israel im Gazastreifen auch gegen die Zivilbevölkerung Krieg führt. Machen wir uns mitschuldig? SPD-Politikerin Isabel Cademartori gehört zu denen, die Waffenlieferungen nach Israel beschränken wollen.
Aufgrund der nationalsozialistischen Verbrechen – unter anderem die Ermordung von über sechs Millionen jüdischer Menschen – trägt Deutschland eine besondere Verantwortung gegenüber Israel. Ebenso unterliegen Waffenlieferungen aus Deutschland aufgrund dieser Vergangenheit strengen Bestimmungen. Insbesondere dürfen keine Waffen in Konfliktregionen geliefert werden.
Der Schutz jüdischen Lebens und das Recht Israels auf Selbstverteidigung sind die Gründe, warum Deutschland Waffen an Israel liefert, trotz des Jahrzehnte alten Nahostkonflikts. Nach dem Angriff der Terrormiliz Hamas auf israelische Siedlungen am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und über 200 verschleppt wurden, hat Deutschland im Sinne des Rechts auf Selbstverteidigung weiter Waffen an Israel geliefert.
Für Israel ist Deutschland der zweitgrößte Rüstungslieferant nach den USA – mit einem Anteil von 30 Prozent an den gesamten Rüstungseinfuhren.
In 2023 hat die deutsche Bundesregierung Rüstungsgüter im Wert von 326 Millionen Euro nach Israel genehmigt. In den ersten drei Monaten 2025 waren es Güter in Höhe von 28 Millionen Euro.
Zu den Rüstungsgütern zählen unter anderem:
- Kriegswaffen
- Komplette Waffensysteme wie U-Boote oder Kriegsschiffe
- Getriebe für Panzer
- F-16 Jagdbomber
- Klein- und Leichtwaffen
- Munition
Kritik an der israelischen Militäroffensive in Gaza
Doch schon bald nach Beginn des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen zur Zerschlagung der Hamas wurde international Kritik am Vorgehen laut. Seit der israelischen Gegenoffensive sind nach Angaben der Vereinten Nationen über 52.000 Menschen im Gazastreifen gestorben. Weit über 100.000 Menschen wurden verletzt. Die über zwei Millionen Menschen im Gazastreifen erleben seitdem immer wieder Vertreibung, Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen und Hunger.
Die zum Teil rechtsextreme Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu macht keinen Hehl daraus, die Menschen gänzlich vertreiben zu wollen und den Gazastreifen komplett zu besetzen. Schon jetzt hat das israelische Militär 70 Prozent in Gaza unter Kontrolle.
In Anbetracht der humanitären Katastrophe im Gazastreifen – die Vereinten Nationen sprechen von einem begründeten Verdacht auf Völkermord und werfen Israel Kriegsverbrechen vor; Amnesty International und Human Rights Watch sprechen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit – gibt es auch in der deutschen Regierungskoalition Forderungen nach einer Beschränkung der Waffenlieferungen nach Israel.
"Wenn Grenzen überschritten werden, wo das humanitäre Völkerrecht jetzt wirklich verletzt wird, dann muss auch Deutschland, da muss auch der deutsche Bundeskanzler dazu etwas sagen."
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori ist eine der Politikerinnen, die eine Beschränkung der Waffenexporte nach Israel fordern. Die Diskussionen in der SPD würden sich darum drehen, wie deutlich diese Vorwürfe gegenüber Israel angesprochen werden und welche Konsequenzen daraus folgen müssen, um Israel von dem aktuellen Kurs abzubringen.
"Munition, Panzer und Ersatzteile, die in Gaza und anderswo zum Einsatz kommen können und völkerrechtswidrig eingesetzt werden, die sollte man jetzt stoppen."
Aber Isabel Cademartori ist nicht für einen generellen Exportstopp von Rüstungsgütern. Die Bundesregierung könnte zwischen verschiedenen Rüstungslieferungen unterscheiden. Schutzausrüstungen für Soldat*innen zum Beispiel könnten von einem Exportstopp ausgenommen sein.
Die Entscheidung, welche Rüstungsgüter exportiert werden, liegt bei der Bundesregierung. Und diese ist nicht transparent. Deshalb glaubt Isabel Cademartori, dass es wichtig wäre, wenn das Kabinett insgesamt einvernehmlich Maßnahmen entscheidet, durch die Israel wieder auf einen völkerrechtskonformen Kurs und auch zu einem Friedensprozess gebracht würde.
"Aus meiner Sicht wäre das auch genau die richtige politische Lösung, zu sagen: Rüstungsgüter, die jetzt im Gazakrieg eingesetzt werden, werden nicht genehmigt."
Rüstungsexperte Max Mutschler vom Bonner International Centre for Conflict Studies hält es für eine gute politische Lösung, einerseits Waffen, die direkt im Gazakrieg eingesetzt werden, zu stoppen, und diejenigen, die der reinen Verteidigung und des Schutzes dienen, weiter zu genehmigen – wie zum Beispiel Komponenten für die Raketenabwehr. Auch wenn die Unterscheidung bei manchen Rüstungsgütern schwierig wird. Das ist zum Beispiel der Fall bei Korvetten, Kriegsschiffe, die aber auch gleichzeitig Teil des Raketenabwehrschirms sind.
Bundesregierung im Verzug
Die Bundesregierung hätte in diesem Sinne schon längst handeln müssen, meint Max Mutschler. Denn es gibt klare völkerrechtliche Regelungen hierzu, die besagen: Wenn es ein eindeutiges Risiko gibt, dass diese Rüstungsgüter und Waffensysteme zur Verletzung des humanitären Völkerrechts eingesetzt werden, dann ist die Genehmigung zu versagen. "Das steht so im internationalen Waffenhandelsvertrag, den Deutschland unterschrieben und ratifiziert hat", sagt Max Mutschler.
"Ich denke, Deutschland hat einen Hebel über seine Rüstungsexporte nach Israel. Es müsste die politische Bereitschaft da sein, diesen Hebel zu drücken."
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