Unser Autor Yannic Hannebohn ist im vergangenen Jahr von München nach Berlin gezogen. Alles super? Geht so. Denn Yannic ist immer noch nicht richtig angekommen in der neuen Stadt.

Dieser Artikel ist Teil unserer Serie "Neu in der Stadt". Alle sieben Folgen findet ihr hier.

Vor zehn Monaten ist Yannic von München nach Berlin gezogen. Für einen Freelancer wie ihn müsste es dort doch einfacher sein, Jobs an Land zu ziehen, hat er sich gedacht. Und auch sonst schien einiges für die neue Stadt zu sprechen. Einige Kumpels sind mitgezogen, andere lebten schon in der Hauptstadt. Außerdem hat Yannic gemerkt: Es kommt immer Besuch vorbei, seit er in Berlin wohnt. 

Yannic und sein Freund Basti
© Deutschlandfunk Nova | Yannic Hannebohn
Ein guter Freund kehrt Berlin schon wieder den Rücken – Yannic (links) und sein Freund Basti

Schnell hat er aber auch die Nachteile Berlins kennengelernt: So ist es Yannic nicht gelungen, in den zehn Monaten neue Freundschaften zu schließen. Zu viel Stress, alles zu viel zu unverbindlich. Viel zu oft hat Yannic Sätze gehört, wie: "Lass nächste Woche nochmal quatschen". "Melde mich" – oder sie selbst gesagt.

Liegt das an Berlin? Oder am Lifestyle? Das hat sich Yannic schon oft gefragt. Dazu kommt: Sein guter Freund Basti zieht bald schon wieder aus der Hauptstadt weg – wegen eines neuen Jobs. Kurz: Manchmal geht es Yannnic in Berlin echt beschissen.

"Ich kann einfach nicht mehr ... Es müsste doch eigentlich so gut sein gerade. Ich mach' genau das, was ich machen will und ich bin einfach so am Ende."
Yannic im Berlin-Blues am Alexanderplatz

Vor anderthalb Monaten hatte Yannic deswegen richtig Stress. Er hat sich Rat bei der Psychologin Laura Ritthaler geholt. Die versucht ihm zu erklären, warum sich Yannic in Berlin noch nicht wohlfühlt. Mit Heimat verbänden wir bestimmte Orte und Rituale. Außerdem seien Heimatgefühle auf Wiederholung angewiesen. Kurz: Yannics neuem Gebilde Berlin fehlen noch die Säulen, damit es stabil steht.

Sechs Säulen, damit die Heimat steht

Sechs solcher Säulen hat die Psychologin ausgemacht: Heimat, Job, Hobbys, Familie, Partner und wir selbst.

Gerade dieser letzte Punkt ist ziemlich kompliziert. Uns selbst Halt geben – das funktioniert über unseren Alltag. Dabei können wir von Künstlern lernen, die einen stark ritualisierten Alltag pflegen, rät die Psychologin. Zum Beispiel: immer zur selben Zeit aufstehen, dasselbe frühstücken.

Wir brauchen also einen Alltagsrahmen, damit wir wild und kreativ und frei sein können. Dinge, die wir gerne tun, die uns ein Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Ruhe geben. Karl Lagerfeld wechselt seine Bettwäsche täglich. Immanuel Kant stand jeden Morgen zwischen fünf und fünf Uhr dreißig auf, trank ein bis zwei Tassen Tee, rauchte Pfeife.

Yannic hat das ausprobiert: Jeden Morgen raus zum Bäcker an der Ecke, die gleiche Brötchensorte kaufen, Sesam nämlich. Sich zwingen, alle zwei Stunden aufzustehen, einen Schluck Wasser zu nehmen und dann weiterzumachen. 

Erfolge feiern

Sehr wichtig ist aber auch: Erfolge feiern. Pausen, in denen wir uns auf unserem Lorbeer ausruhen können, empfiehlt die Psychologin. Das heißt: Erreichtes nicht nur auf Social Media posten, wo es wahrscheinlich untergeht. Sondern zwei, drei Freunde zusammenrufen und ein Bier trinken gehen. 

Die sechs Säulen reparieren – also alte Freunde anrufen, vielleicht mal wieder Tischtennis spielen oder einen Film im Kino anschauen, rausgehen, Leute treffen – und Erfolge feiern. So geht Ankommen. Hofft Yannic zumindest. 

Dieser Artikel ist Teil unserer Serie "Neu in der Stadt". Alle sieben Folgen findet ihr hier.

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Shownotes
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#7 Mein Kopf zieht nach
vom 15. Oktober 2018
Autor Audio: 
Yannic Hannebohn
Online-Text: 
Deutschlandfunk Nova