US-Präsident Donald Trump soll in seiner Amtszeit bereits 20.000-mal gelogen haben, hat die Washington Post nachgezählt. Durchschnittlich lügen wir 25-mal am Tag. Der Hirnforscher Henning Beck erklärt, was in unserem Hirn passiert, wenn wir Unwahres sagen und ob es eine Möglichkeit gibt, Lügner zu entlarven.

Wenn wir lügen, ist unser Gehirn aktiver, als wenn wir ehrlich sind. Denn es müssen verschiedene Hirnareale tätig werden, damit wir überzeugend lügen können, sagt der Neurowissenschaftler Henning Beck. Wir müssen beispielsweise die Wahrheit aktiv unterdrücken, uns eine neue Geschichte ausdenken und diese in Worte fassen.

Gleichzeitig ist es auch wichtig, dass wir uns in unseren Gesprächspartner hineinversetzen, damit wir ihm glaubhaft etwas vormachen können. Das sind also mehrere Probleme, die unser Gehirn parallel lösen muss. Um das leisten zu können, werden mehrere Hirnareale aktiviert.

"Beim Lügen musst du eigentlich richtig denken. Also ich würde mal vermuten, dass kein anderes Lebewesen lügt wie der Mensch."
Henning Beck, Neurowissenschaftler
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Es gibt verschiedene Gründe, warum wir lügen: Manchmal wollen wir beispielsweise höflich sein, und die Gefühle anderer nicht verletzen. Manchmal lügen wir aber auch, um das Weltbild, das wir konstruiert haben, aufrechtzuerhalten, sagt Henning Beck.

Eine Theorie besagt, der Mensch ist fähig zu lügen, weil er sprechen und denken kann. Mit der Zeit hat sich das Lügen entwickelt. Werden Lügen aufgedeckt, muss der Lügner sich bemühen, glaubhafter zu werden. Auf lange Sicht komme es zu einem Wettrüsten zwischen der Kompetenz des "Lügens" und der des "Lügen-Entlarvens".

Mit bloßem Auge nicht zuverlässig erkennbar

Die meisten von uns wollen herausfinden, ob sie angelogen werden. Denn oft verschaffen sich andere einen Vorteil durchs Lügen und wir ziehen den Kürzeren. Lügen aufzudecken, ist nicht so einfach, sagt der Neurowissenschaftler. Studien haben gezeigt, dass wir nicht erkennen können, wenn uns jemand anlügt. Die Trefferquote ist nur ein bisschen besser als ein Zufallstipp, wenn wir anhand von Mimik, Gestik oder Sprache Lüge oder Wahrheit beurteilen sollen.

Zeichen, die daraufhin hinweisen, das jemand lügt

Manchmal ahnen wir, das jemand lügt, sagt der Hirnforscher. Das liegt daran, das lügende Personen oft die Gesprächsführung ändern oder Gesten haben, um sich besser zu kontrollieren. Sie fassen sich beispielsweise ins Gesicht. Aber so etwas zu deuten, ist wirklich sehr schwer, weil nicht jeder, der sich ins Gesicht fasst, automatisch lügt.

Diese Beobachtungen können wir also nicht nutzen, um allgemeingültige Aussagen daraus abzuleiten. Es besteht sogar die Gefahr, dass wir uns das einreden, wenn wir tatsächlich glauben, dass wir Lügner erkennen können.

Aber eins ist ganz klar: Es gibt mehr Männer, die lügen, als Frauen. Eine Studie hat festgestellt, dass 42 Prozent der Männer gelegentlich die Unwahrheit sagen. Bei den Frauen waren es weniger: 38 Prozent.

"Ein alter Lügentest im Mittelalter funktionierte so: Wenn man nicht wusste, wer vor Gericht lügt, hat man den Leuten etwas zu essen gegeben. Lügende Personen hatten unter Stress einen trockenen Mund und kauten oft lange an einem Stück Brot herum."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Ein Lügendetektortest funktioniert eher indirekt, weil er misst, wie gestresst eine Person ist, wenn sie lügt. Die Aussagen sind deswegen nicht immer so zuverlässig wie bei Hirnscan. Mit einem Scan können Forschende feststellen, ob ein Gehirn zusätzlich Areale aktiviert, um beispielsweise die Wahrheit zu unterdrücken. Mit einem Hirnscanner kann man somit genauer bestimmen, ob jemand lügt, als mit einem Lügendetektortest, sagt Henning Beck.

Shownotes
Neurowissenschaften
Lügen regt das Denken an
vom 05. September 2020
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Henning Beck, Neurowissenschaftler