Vor wenigen Wochen wurde ein 36 Jahre alter Deutsch-Palästinenser in Berlin getötet: eine Hinrichtung. Für die Polizei und viele Politiker war das ein neuer Höhepunkt der Clan-Kriminalität in Berlin. Die Lage ist angespannt.
Nidal R. war das Opfer. Für die Polizei war er kein Unbekannter. Er galt als einer der größten Intensivstraftäter Deutschlands und ist viele Male verurteilt worden für gefährliche Körperverletzung bis hin zu Raub. Außerdem war Nidal R. Mitglied einer einschlägig bekannten kriminellen, arabischen Großfamilie.
In Neukölln gab es in den vergangenen Wochen immer wieder Schießereien und Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Clans. Die Polizei geht auch im Mordfall Nidal R. von Bandenkriminalität und organisiertem Verbrechen aus. "Die Ermittler vermuten, dass es dabei um Revierstreitigkeiten geht", erklärt Manfred Götzke, der seit Wochen zu den Verbrecherclans in Berlin recherchiert – die Clans haben einige Straßen unter sich aufgeteilt, doch die Grenzen sind nicht sicher.
"Es gibt jedenfalls auch schon erste Hinweise, dass der Mord an Nidal R. erst der Anfang ist."
Knapp 20 arabischen Großfamilien gibt es in Berlin, jeweils mit bis zu 500 Mitgliedern. 12 davon hat die Polizei besonders im Visier, weil sie immer wieder Straftaten innerhalb des organisierten Verbrechens begehen. In Berlin sind sie für ein Viertel der Organisierten Kriminalität verantwortlich. Drogenhandel, Schutzgelderpressung, Einbrüche und so weiter. "Aber es sind nicht alle, die einen dieser berüchtigten Familiennamen tragen, auch kriminell", stellt Götzke fest. Viele Familienmitglieder haben auch schlichtweg Angst vor den Clankriegen und wollen einfach in Ruhe leben.
Kampf um Berliner Straßen
Manfred Götzke schildert die Lage in Berlin: Im Prinzip ist es wie in einem Mafia-Film. Eine Familie ist geschwächt, weil die Polizei seit Monaten massiv gegen sie vorgeht. Die Beamten haben Immobilien im Wert von circa zehn Millionen Euro beschlagnahmt und Razzien durchgeführt. Dadurch haben andere Clans ein Auge auf das Territorium und die Geschäfte dieser Familie geworfen.
Das Problem mit den kriminellen Clans ist ein Stück weit auch selbst gemacht. In den 80er Jahren sind zehntausende Kurden und Palästinenser vor dem Libanonkrieg nach Deutschland und Berlin geflohen. "Hier waren sie in der Regel nur geduldet", erklärt Manfred Götzke. Das heißt: Sie durften über Jahre nicht legal arbeiten, ihre Kinder waren nicht schulpflichtig. "Das hat dann in Berlin zu dem geführt, was manche dann Parallelgesellschaft nennen."
"Dieses alleine lassen, hat dazu geführt, dass diese damaligen Flüchtlinge sich nur auf sich selbst nur auf ihren Familienkreis konzentrieren konnten."
Bisher bleiben die Clans in ihren Parallelgesellschaften, die Mitglieder verlassen ihren Kiez eher selten. Doch mit ihren Millionen aus illegalen Geschäften sind sie immer mehr auf dem Weg, auch in legale Geschäfte zu investieren, sagt Martin Hikel, der Bürgermeister von Neukölln. Dann werde der Einfluss der Clans auf Berlin steigen, durch Geld und womöglich auch politische Macht.
"Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass dieses illegale Geld nicht reingewaschen werden kann."
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