Seit vier Jahren läuft der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Hauptangeklagte ist Beate Zschäpe, die sich mittlerweile mit drei ihrer fünf Pflichtverteidiger überworfen hat. Die haben nun beantragt, aus dem NSU-Prozess entlassen zu werden.

Zu Beginn des NSU-Prozesses hat das Gericht Beate Zschäpe, eine der fünf Angeklagten, drei Pflichtverteidiger zur Seite gestellt: Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Seit mehr als einem Jahr soll Beate Zschäpe mittlerweile nicht mehr mit ihren drei Pflichtverteidigern reden, sagt Holger Schmidt, der den NSU-Prozess begleitet. "Ganz offenkundig ist das wirklich ein Psychokrieg, der zwischen diesen drei Anwälten und Beate Zschäpe tobt." 

Schon 2015 hat das Gericht Beate Zschäpe darum zwei weitere Pflichtverteidiger an die Seite gestellt, Mathias Grasl und Hermann Borchert. Zwischen ihnen und den drei ursprünglichen Pflichtverteidigern kommt es allerdings immer wieder zu Konflikten und offenen Schlagabtäuschen, sagt Holger Schmidt. "Da geht es um die Frage, wer sagt die Wahrheit, wer redet mit wem und was will Beate Zschäpe mutmaßlich selber haben." Darum haben die drei ursprünglichen Verteidiger von Beate Zschäpe ihre Entlassung aus dem NSU-Prozess beantragt.

Sturm, Stahl und Heer sollen bleiben

Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm möchten aus dem Verfahren entlassen werden, weil sie ihre derzeitige Aufgabe nicht mehr als sinnvoll erachten. Für das Gericht kommt das nach mehr als 350 Verhandlungstagen nicht in Frage. Die neuen Anwälte sind erst nach etwa 200 Verhandlungstagen hinzugekommen.

In Strafverfahren gelten Rechtsanwälte als eigenständige Verfahrensbeteiligte, die für ihre Mandanten auch Dinge tun müssen, mit denen diese nicht einverstanden sind. "Und weil der Rechtsstaat sagt, eine ordentliche Verteidigung ist nur dann gegeben, wenn die Anwälte von vorne bis hinten überblicken, worum es da geht." 

Das Gericht befürchtet, sollte es die ersten drei Pflichtverteidiger entlassen, dass Beate Zschäpe dann behaupten könne, sie habe gar keine richtige Verteidigung, weil die neuen Anwälte der Angeklagten den Prozess nicht von Anfang an mitbekommen haben. "Deswegen glaube ich, dass das Gericht an diesen drei alten Anwälten festhalten wird ", sagt Holger Schmidt.

"Beate Zschäpe möchte die Bestimmerin sein, das ist mein Eindruck und das ist auch das, was die Anklage ihr vorwirft."
Holger Schmidt über Beate Zschäpe

Wie tickt Beate Zschäpe?

Die Vermutung, die Angeklagte Beate Zschäpe könnte mit dieser Taktik auf Verzögerungen und Verfahrensfehler setzen, liegt relativ nah. Holger Schmidt glaubt allerdings nicht, dass die Verzögerungstaktik in ihrem Interesse ist, schließlich dauert der Prozess schon fast vier Jahre. "Dass sie auf Verfahrensfehler hoffen könnte, kann ich mir vorstellen", sagt er. Holger Schmidt geht aber noch einen Schritt weiter: Seit er den NSU-Prozess beobachtet, hat er Beate Zschäpe als extrem manipulativ wahrgenommen. "Sie möchte extrem, dass die Dinge nach ihren Vorstellungen laufen. Und sie begreift überhaupt nicht, was unter strategischen Überlegungen für sie vielleicht richtig ist", sagt Holger Schmidt. 

Shownotes
NSU-Prozess
Der Kampf der Pflichtverteidiger
vom 28. März 2017
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Holger Schmidt, ARD-Terrorismusexperte