Odessa am Schwarzen Meer ist nicht nur ukrainische Hafenmetropole, sondern auch wichtiger Umschlagplatz für Getreide. Odessa war eine multiethnische Stadt. Und ist jetzt auch wieder: Frontstadt. Ein historischer Stadtrundgang mit dem Historiker Boris Belge.
Odessa hat seit der Gründung der Stadt durch Katharina II. im Jahr 1794 zahlreiche Umbrüche, Eruptionen und Neuanfänge erlebt. Jetzt sind Odessa und die Bewohner*innen der Stadt durch den Angriffskrieg der Russischen Föderation auf die städtischen Infrastrukturen bedroht.
Fruchtbarer Boden sorgt für ökonomischen Reichtum
Der Historiker Boris Belge interessiert sich bei der Betrachtung Odessas nicht nur für die Politik seit der Gründung, sondern auch für die Wirtschafts-, Technik- und Sozialgeschichte der Stadt. Die wiederum stark mit den fruchtbaren Landflächen im Süden der Ukraine verflochten ist.
"Wer im Süden der Ukraine in den Boden greift, hat einen schwarzen, krümeligen, leicht formbaren Erdklumpen in der Hand."
Seit Jahrtausenden wussten Menschen, dass die Region beste Voraussetzungen für Landwirtschaft bietet, besonders für den Getreideanbau. Er verhalf der Stadt zu ökonomischem Aufschwung, Odessa wurde zum Exporthafen für die Getreideüberschüsse des Landes. Darüber hat Boris Belge auch einen Artikel für "Geschichte der Gegenwart" mit dem Titel "Odessa und das Getreide" geschrieben.
Historischer Stadtrundgang durch Odessa
2021 war die Ukraine auf Platz sechs der weizenexportierenden Länder mit einem Anteil von 10 Prozent am globalen Weizenhandel. Aber der ökonomische Erfolg brachte auch Probleme mit sich, sagt der Historiker.
"Der Erfolg hatte auch seine Schattenseiten. Ökonomisch war Odessa konstant mit dem eigenen Erfolg überfordert, sozio-ethnisch war die Stadt ein Pulverfass, und militärisch-politisch war die exponierte Lage von Stadt und Hafen eine Bedrohung."
Auf seinem Stadtrundgang besucht und beschreibt Boris Belge folgende Orte in Odessa:
- Opernplatz
- Hafen
- Straße Derybasiwska
- Richelieu-Denkmal
- Potemkinsche Treppe
- Denkmal für Katharina die Große
Boris Belge hat seinen Vortrag "Odessa. Von der imperialen Handelsmetropole zur ukrainischen Frontstadt" am 16. November 2022 gehalten auf Einladung der Universität Tübingen im Rahmen der Vorlesungsreihe "Brennpunkt Ukraine. Geschichte, Kultur und Politik einer europäischen Nation". Aktuell arbeitet er an seinem Habilitationsprojekt mit dem Titel "Managing Trade: Infrastructure and Economic Practices in the Port of Odessa (1794–1905)".