Wer öfter mal das Verkehrsmittel wechselt, kennt das Problem gut: Deutsche Bahn, Bus & Bahn, Bikesharing und Carsharing. Jedes Transportmittel nutzt eine eigene App. Das ist für Reisende sehr unpraktisch und lästig. Der Soziologe Andreas Knie glaubt nicht, dass sich das bald ändern wird, weil die Betreiber keinen direkten Nutzen durch eine App haben, die deutschlandweit alle Fahrkarten anbietet. Außerdem fehle der politische Druck.
Das Problem ist bekannt: Es muss eine Verkehrswende kommen, damit der CO2-Ausstoß vermindert werden kann. Autofahrer müssten vermehrt auf öffentliche Verkehrsmittel wie Bus und Bahn umsteigen. Der Soziologe Andreas Knie weiß, dass die Qualität des ÖPNV verbessert werden müsste, damit er eher als Alternative für Autofahrer infrage kommt. Und am besten ließe sich die Verkehrswende in die Tat umsetzen, wenn Menschen abwechselnd verschiedene Transportmittel nutzen können.
"In der Tat ist der ÖPNV zurzeit für die Mehrzahl der Autofahrer unter den jetzigen Umständen keine Alternative. Das heißt, wir brauchen nicht nur einen besseren ÖPNV im Sinne von Bussen und Bahnen, sondern wir brauchen auch ein neues Qualitätsniveau."
Aber schon allein die Tatsache, dass es immer noch keine App gibt, mit der wir deutschlandweit - vom Zug über das Fahrrad bis hin zum Taxi - verschiedene Verkehrsmittel buchen können, macht es schwieriger, Menschen davon zu überzeugen, dass ÖPNV und andere Sharing-Modelle eine Alternative zum Auto bieten können. Soziologe und Mobilitätsexperte Andreas Knie findet es gerade zu skandalös, dass wir verschiedene Verkehrsmittel nicht über eine gemeinsame App buchen können, um von Abfahrts- zum Zielort zu kommen.
"Es ist nicht so, dass man das nicht als Problem erkannt hätte, aber man hat die Dringlichkeit nicht erkannt."
Und es sei nicht so, dass die Politik das Problem nicht erkannt habe. Der Bundesverkehrsminister hat in den vergangenen Jahren mehrfach Initiativen angekündigt, damit Fahrgäste verschiedene Transportmittel mithilfe einer App leichter nutzen können. Auch die Betreiber der ÖPNV haben mit der Plattform "mobility inside" auf den bestehenden Bedarf reagiert. Aus Sicht von Andreas Knie bewegt sich aber in dieser Hinsicht noch alles zu langsam. Er führt das darauf zurück, dass die Branche sich selbst gegen die Veränderung sperrt.
"Die Branche sperrt sich dagegen: Keiner gönnt dem anderen seine Kundendaten. Jeder macht sein eigenes Ding. Man hat auch überhaupt keinen Druck von außen, dass man sich zusammentun müsste."
Die verschiedenen Unternehmen wollen zum einen ihre Kundendaten nicht miteinander teilen. Zum anderen wissen die Entscheider in den Unternehmen oft gar nicht, welche Lücken es bisher bei den Apps gibt, die den durchgängigen Ticketkauf erschweren. Diejenigen, die das Projekt von einer gemeinsamen Ticket-App voranbringen könnten, nutzen den ÖPNV in den meisten Fällen selbst nicht, sagt der Soziologe.
"Den Anwendungsfall, den sie gerade geschildert haben, den kennt die Branche eigentlich nicht, weil sie ihre eigenen Produkte nicht nutzt. Denn die, die dort Verantwortung tragen, nutzen leider den ÖPNV nicht und merken leider auch nicht, wo die Lücken sind."
App wurde von der Deutschen Bahn wieder eingestellt
Die Deutsche Bahn hatte die App "Touch & Travel" entwickelt. Wer sich auf eine Reise begab, konnte damit ein- und auschecken, ohne sich um Tarife und Preise zu kümmern, sagt Andreas Knie. Allerdings wurde diese App von der Deutschen Bahn einfach wieder abgeschafft. Da sind unsere Nachbarländer – allen voran die Schweiz – uns schon einiges voraus, sagt der Mobilitätsexperte. Auch Österreich und die Niederlande bemühen sich, eine durchgängige Buchung für verschiedene Verkehrsmittel zu organisieren.
"Der ÖPNV – alleine das Wort sagt es ja schon – ist historisch gesehen eine Resteverwertung: Die, die nicht Auto fahren können, hat man in den ÖPNV gesteckt. So sieht der ÖPNV eben heute noch aus. Es ist schlichtweg ein Skandal, dass ich nicht durchbuchen kann.
Inzwischen können über die DB-Navigator-App immer mehr regionale Verbünde – und demnächst auch Bike- und Carsharing-Angebot - gebucht werden. Allerdings findet der Mobilitätsexperte, dass der Aufbau eines durchgängigen und deutschlandweiten Sysstems einfach viel zu lange dauert. Für den ÖPNV sei es egal, ob ein oder zwei Fahrgäste mehr mitfahren würden, deswegen gebe es zwischen den verschiedenen Betreibern keinen Druck, sich gegenseitig buchbar zu machen. Der Soziologe sagt, dass hier der Staat einspringen müsse, um Anreize für ein gemeinsames System zu schaffen."