Sich viele Gedanken über etwas machen, das kennt Nele. Sie neigt zum Overthinking. Was Ursachen für das übermäßige Nachdenken sind und wie wir das Gedankenkarussell wieder verlassen können, erklären zwei Expertinnen.
Habe ich etwas gesagt, was sie doof finden? Bin ich unsympathisch rübergekommen? Wenn Nele mit anderen Menschen unterwegs ist, startet bei ihr oft dieses Gedankenkarussell. Dann grübelt sie. Das fühlt sich für sie an, als würde sie ein Gespräch in ihrem Kopf führen, das kein Ende nimmt. "Es ist ganz schwer zu erklären, weil es mich teilweise auch emotional sehr mitnimmt", sagt sie.
"Was könnten die jetzt von mir denken? Bewerten die mich? Habe ich vielleicht was gesagt, was sie stört?"
Im Job oder in Freundschaften hat sie das auch. Wenn Nele zum Beispiel neue Menschen kennenlernt, grübelt sie vor einem Treffen und fragt sich, warum die sie wohl überhaupt treffen wollen. "Warum könnte ich spannend sein? Ich bin noch gar nicht so interessant", denkt sie dann.
Was Overthinking bedeutet
Was Nele beschreibt, wird auch Overthinking genannt. Wer dazu neigt, grübelt also auffällig viel über etwas. Dieses Nachdenken in Endlosschleifen kann auch eine Belastung werden.
Typisch für Overthinking ist:
- die Gedanken starten, ohne dass ich es möchte
- mir fällt es schwer, mit dem Grübeln aufzuhören
- das Grübeln führt zu keiner Lösung; die gleichen negativen Gedanken wiederholen sich
Worüber Menschen grübeln, ist ganz unterschiedlich, sagt Psychologin Julia Funk. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ludwig-Maximilians-Universität München und hat sich für ihre Doktorarbeit mit dem Thema Grübeln beschäftigt. Laut der Psychologin drehen sich die Gedankenschleifen besonders um:
- Sorgen über die Zukunft: Was ist, wenn es im Job nicht so läuft, wie ich mir das vorstelle? Was ist, wenn meiner Familie oder Freund*innen etwas passiert?
- Die eigene negative Stimmung: Warum geht es mir immer schlechter als anderen? Was sagt das über mich aus?
- Soziale Situationen: Warum habe ich das gesagt? Warum habe ich mich nicht besser verhalten?
Bei manchen Menschen könne das übermäßige Grübeln zu einer Art Gewohnheit werden. "Es fängt oft als Versuch an, ein Problem zu lösen: Ich möchte darüber nachdenken, um zu einer Lösung zu gelangen. Und dann über die Zeit verselbstständigt sich das aber oft", sagt Julia Funk. Diese Gewohnheit ins Grübeln zu kommen, kann an bestimmte Situationen geknüpft sind, die dann wie ein Auslöser funktionieren. Das kann zum Beispiel schlechte Laune sein.
Ursachen für Grübeln
Warum manche Menschen zum Grübeln neigen und andere nicht, hängt unter anderem von unseren Genen ab. Die Tendenz zum Grübeln kann also manchmal auch vererbt werden. Der genetische Anteil liegt bei etwa 30 bis 40 Prozent. Auch unsere Erfahrungen in der Kindheit spielen eine Rolle und aktuelle Umstände, die mit einer bestimmten Unsicherheit einhergehen. Das kann beispielsweise ein unsicheres Arbeitsverhältnis sein.
Im Schnitt nimmt das viele Nachdenken im Jugendalter (Adoleszenz) zu und erreicht im Alter von Mitte 20 ihren Peak, da grübeln Menschen also am meisten. Danach wird es eher wieder weniger, sagt Julia Funk.
"Wir sehen tatsächlich schon ab der Pubertät, dass das bei den Mädchen einfach stärker ausgeprägt ist als bei den Jungs."
Frauen neigen mehr zum Overthinking als Männer. Dieser Unterschied zeigt sich schon ab der Pubertät, sagt Birgit Derntl von der Uniklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Tübingen. Sie ist Professorin für psychische Gesundheit und Gehirnfunktion von Frauen.
Eine Ursache für diesen Unterschied liegt darin, wie Mädchen und Jungen erzogen werden: "Wir reden mit Mädchen auch mehr über Emotionen. Wir fragen auch wesentlich mehr: Was hat denn das bei dir ausgelöst? Warum hast du dich denn so verhalten?", erläutert sie. Mädchen werden also eher dahingehend erzogen, über die eignen Gefühle nachzudenken und verinnerlichen das. Es automatisiert sich. Hier spielen also auch gewisse Erwartungen an Geschlechterrollen mit rein, so Birgit Derntl.
Overthinking stoppen
Hinter dem übermäßigen Nachdenken können also biologische und soziale Faktoren stecken. Es gibt unterschiedliche Strategien, sich von dem Gedankenkarussell zu lösen. Wer bei sich zum Beispiel beobachtet, dass Grübeln in bestimmten Situationen zur Gewohnheit geworden ist, sollte sich erst bewusst machen, welche Situationen das sind, so Psychologin Julia Funk. Dann kann man neue hilfreiche Gewohnheiten etablieren. "Wenn das zum Beispiel so ist, dass ich immer morgens nach dem Aufwachen anfangen zu grübeln, könnte eine neue Gewohnheit sein, dass ich erst mal aufstehe, vor die Tür gehen und zehn Minuten spazieren gehen", sagt sie.
Bewegung hilft auch Nele. Das ist eines ihrer drei Tools, um sich aus dem Overthinking rauszuholen. Was bei ihr auf funktioniert, sind Zitrusdüfte und entspannte Musik. Beides entspannt ihr Nervensystem, sagt sie. Aber meisten hilft ihr, wenn sie sich bewegt. Mit ihrem neuen Fahrrad kann sie "mit Geschwindigkeit aus der Situation rausfahren", erzählt sie.
Wenn wir es aber nicht aus eigener Kraft schaffen und das Grübeln zur Belastung wird oder den Alltag stark einschränkt, ist professionelle Hilfe eine Option.
In der Podcast-Folge nennt Psychologin Julia Funk noch weitere Strategien, wie man mit Grübeln umgehen kann und auch Ursachen dafür. Nele erzählt außerdem noch mehr über ihre Erfahrungen. Klickt dafür oben auf den Play-Button.
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