Wissenschaftler gingen lange Zeit davon aus, dass Monogamie das vorherrschende Partnerschaftsmodell unter Vögeln ist. Zumindest gehen 95 Prozent aller Vogelarten feste Partnerschaften ein. Und das hat auch gute Gründe: Gemeinsam verteidigen sie Nistplatz und Brut und kümmern sich partnerschaftlich um die Aufzucht ihrer Jungen. Doch das hält viele Vögel nicht vom Fremdgehen ab.
So stammt bei der Blaumeise jedes sechste Küken aus einem Seitensprung, bei der Tannenmeise sind rund 80 Prozent der Nachkommen Kuckuckskinder und selbst unter den als besonders treu geltenden Albatrosse gibt es 5 Prozent Betrüger. Lediglich die Schwäne sind und bleiben bis zu 100 Prozent treu!
Streuung des Erbguts
Grund für das Fremdvögeln ist die größtmögliche Streuung des Erbguts und die Fortpflanzungsgarantie. Denn paart sich ein Männchen nur mit einem Weibchen, sind seine Fortpflanzungsoptionen gering. Beim Fremdvögeln hat das Männchen außerdem den Vorteil, sich nicht auch noch um die Brut kümmern zu müssen. Auch bei den Weibchen ist das Motiv der Fortpflanzung vorrangig. Denn paaren sie sich nur mit einem Männchen und ist dieses Männchen unfruchtbar, bleibt das Nest leer. Bei der Blaumeise ist das ein besonders drängendes Problem, weil ihre Fortpflanzungszeit knapp bemessen ist - sie lebt meist nur ein Jahr lang.
Fremdgehen-Gen
Schnell muss da ein Partner gefunden werden, und nicht immer ist die erste Wahl die beste. Ihr bleibt dann nur der Seitensprung, um die die Fortpflanzung zu sichern. Die Traumtypen der Blaumeise sind entweder Männchen, die aus einem entfernten Brutgebiet stammen und für frisches Erbgut sorgen, oder ältere und größere Männchen aus der Nachbarschaft, die durch ihr Aussehen für gute Erbanlagen sprechen. Wissenschaftler haben bei Zebrafinken sogar festgestellt, dass Zebrafinken-Väter den weiblichen Nachkommen das "Fremdgehen-Gen" vererben - das könnte die Hypothese stützen, dass Fremdvögeln sogar in den Genen fixiert ist.
Bloß nicht erwischen lassen!
Und vielleicht weil Seitensprünge in der Vogelwelt wohl gang und gäbe sind, bewachen die Männchen in der Balzzeit besonders scharf ihre Partnerinnen. Die schleichen sich dann heimlich im Morgengrauen aus dem Nest, wenn der Gatte noch schläft oder gerade per Gesang den Sonnenaufgang einläutet. Ihren Seitensprung haben sich die Weibchen schon Tage zuvor ausgeguckt bei Erkundungsflügen - ganz nebenbei.
Wird sie erwischt, reagiert das Männchen äußerst eifersüchtig, wird gewalttätig gegenüber seiner Partnerin, vernachlässigt die Brutpflege oder verlässt sogar das Weibchen. Dennoch: Nicht selten bleibt das Männchen einfach bei seiner Partnerin aus Ermangelung an Alternativen.