Empört euch! Auf Kommando gelingt das kaum jemandem richtig überzeugend. Mindestens das Gesicht muss mitspielen. Sonst geht es nicht. Einblicke in die Schauspielkunst und die jüngere Geschichte.
Der eine liest empört links und rechts vom Teleprompter ab, der andere empört sich mit dem Redemanuskript in der Hand: Die öffentliche Empörung von Ex-Wirtschaftsminister Christian Lindner (FDP) und die vorausgegangene Empörung des amtierende Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) dürfen als nur mittelmäßig überzeugend gelten.
Olaf Scholz hatte gut vorbereitet die Entlassung seines Wirtschaftsministers verkündet, Christian Lindner hatte öffentlich darauf reagiert – ebenfalls gut vorbereitet. So hat das ausgesehen:
Deutschlandfunk-Nova-Reporter Jan Dahlmann ist mit beiden Performances nicht recht zufrieden. Eigentlich empfinden wir Empörung gegenüber ungerechtem und unmoralischem Handeln, sagt er.
Empörung ist ein Gefühl
Es sei schwierig, dieses Gefühl gut zu spielen. "Normalerweise passiert so eine Emotion in uns und wir planen das nicht."
"Wir empören uns, wenn wir etwas ungerecht oder unmoralisch finden."
Eine grundlegende Schwierigkeit bei der Darstellung dieser speziellen Emotion ist in ihr selbst angelegt: Denn in der Empörung kommen Ärger und Verachtung zusammen, erklärt der Wirtschaftspsychologe Dirk Eilert.
"Hier mischen sich Ärger und Verachtung. Wenn wir Empörung bei jemandem beobachten, dann sehen wir in der Mimik eine Mischung dieser beiden Emotionen."
Typische mimische Reaktionen bei empfundener Empörung sind ein leicht geöffneter Mund, weit geöffnete Augen und eventuell zusammengezogene Augenbrauen. So zeigt sich diese spezielle Mischung aus Verachtung und Verärgerung typischerweise, erklärt Stefan Goldberg. Er leitet die Düsseldorfer Schauspielschule Stage School Salomon.
Empörung – nur begrenzt spielbar
Und in der Praxis? Wer Empörung spielen wolle, der solle versuchen, vergleichbare Situationen innerlich aufzurufen und dann äußerlich darzustellen, ergänzt die Schauspielerin Karina Syndicus. Die Rede von Christian Lindner zum Ende der Ampel-Koalition fand sie nicht so glaubwürdig. "Für mich wirkt es wirklich sehr nach Drehbuch, weil diese Empörung, dieses in die Luft gucken. Es ist eine Rede, die er zu Teilen liest. Diese Pausen, die müssen nicht sein."
"Man kann sich Situationen in den Kopf rufen, in denen man selber empört war: Wie hat man es empfunden? Was hat es in mir ausgelöst? Wie war meine körperliche Reaktion?"