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Verbot, Hass, Gesichtserkennung: In Ungarn darf die queere Community nicht zur Pride auf die Straße gehen. Tamás demonstriert trotzdem. Warum er sich nicht versteckt – und was es bedeutet, queer in Ungarn zu sein.

Die diesjährige Pride-Parade, die am Samstag (28.06.2025) in Budapest stattfinden soll, wurde verboten. Dennoch hat sich die Hauptstadt des Landes auf zehntausende Teilnehmende vorbereitet. Und der Andrang ist nach Beobachtung von Reportern tatsächlich groß, wie Nachrichtenagenturen melden.

Ungarns rechtsnationale Regierung hatte das polizeiliche Verbot der Pride-Parade durchgesetzt, über eine Reform des Versammlungsgesetzes und mit dem Argument des Kinderschutzes.

Budapest Pride wird zum "Freiheitsfest"

Aber selbst ein landesweites Pride-Paraden-Verbotsgesetz kann den Budapester Bürgermeister Gergely Karácsony nicht davon abhalten, die Veranstaltung dennoch auszurichten. Der liberale Bürgermeister hält das Kinderschutz-Argument für vorgeschoben und hat die Parade zur offiziellen Feier der Stadt erklärt, damit das Versammlungsgesetz nicht gilt.

Auch der LGBTQI+-Aktivist Tamás ist unbeeindruckt vom Verbot: Er wird auf alle Fälle teilnehmen, sagt er uns im Interview. Und auch die Mehrheit der Budapester Bürger sind dafür: 78 Prozent wollen die Pride-Parade.

"Ich möchte der Budapest Pride und der LGBTIQ+ meine volle Unterstützung und Solidarität aussprechen. In Europa ist es ein fundamentales Freiheitsrecht, für die eigenen Rechte auf die Straße zu gehen."
Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin

In die Diskussion haben sich auch europäische Politiker*innen wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eingeschaltet, die sich für queere Sichtbarkeit ausspricht und die Teilnahme an dieser Veranstaltung als freiheitliches Grundrecht bezeichnet. Manche Politiker*innen aus europäischen Nachbarstaaten wollen anreisen, um die Veranstaltung vor Ort zu unterstützen.

Justizminister droht Budapester Bürgermeister indirekt

Selbst eine indirekte Drohung des Justizministers Bence Tuzson, die er an den Bürgermeister gerichtet hat, bleibt wirkungslos. Der nutzte eine Gesetzeslücke, um die Budapest Pride kurzfristig in "Freiheitsfest" umzubenennen. Damit ist die Parade nicht mehr rechtswidrig. Denn als Stadtfest fällt sie nicht unter das Versammlungsrecht und kann dadurch nicht von der Polizei verhindert werden.

Zehntausende werden zum Budapester Freiheitsfest erwartet

Tamás ist Teil der “Hatter Society”, der größten und ältesten aktiven LGBTQI+-Organisation in Ungarn. In den letzten fünf Jahren, sagt er, habe er eine Hasskampagne der Regierung gegen die queere Community beobachtet.

Es gibt Gewalttäter, die ihre Angriffe auf queere Personen mit den Äußerungen der ungarischen Regierung rechtfertigen, berichtet Tamás. Er ist in der Öffentlichkeit zwar vorsichtig, aber lässt sich dennoch nicht davon abbringen, für seine Rechte einzustehen.

"Ich bin schwul. Manchmal, wenn ich mit meinem Partner spazieren gehe, halte ich seine Hand. Aber bevor ich das mache, überlege ich, ob die Situation wirklich sicher ist."
Tamás, LGBTQ-Aktivist aus Budapest

Zehntausende Teilnehmende werden zum "Freiheitsfest" in Budapest erwartet. Die Veranstaltung ist in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt. Damit ist der Plan der ungarischen Regierung, die queere Community weitestmöglich aus der Öffentlichkeit zu drängen, in diesem Fall nicht aufgegangen.

Und Victor Orbán und seine rechtsgerichtete Fideszpartei wollen auch nicht, dass Bilder von prügelnden ungarischen Polizisten um die Welt gehen. Deswegen ist anzunehmen, dass sich die Polizeikräfte wohl zurückhalten werden.

Dennoch könnten Geldstrafe von bis zu 500 Euro auf die Teilnehmenden zukommen. Und auch mit dem Einsatz von Gesichtserkennungssoftware müssen die Demonstrierenden möglicherweise rechnen. Im schlimmsten Fall droht auch den Veranstaltern eine einjährige Haftstrafe.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Pride vs. Orbán
Wie sichtbar darf queeres Leben in Ungarn sein?
vom 27. Juni 2025
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartner: 
Tamás Dombos, LGBTQ-Aktivist aus Budapest
Gesprächspartner: 
Georg-Florian Ulrich, Korrespondent Studio Wien