Erst zum Hausarzt, bevor es zum Facharzt geht? Klingt nervig, soll aber das Gesundheitssystem entlasten. Wir klären, was das für uns bedeutet – und was Ärztinnen und Ärzte dazu sagen.
Wer dieses Primärarztsystem gut findet, ist Hausarzt Bahman Afzali. Und er sagt auch, dass es jetzt nicht wirklich neu ist, denn seit Jahren gibt es das Hausarztprogramm.
Dabei wird zwischen Arzt, Patient und Krankenkasse vereinbart, dass dieser als Hausarzt managt, zu welchem Facharzt der Patient bei bestimmten Krankheiten gehen soll oder welche Art der Behandlung die richtige ist. Dieses Hausarztmodell oder die Hausarztzentrierte Versorgung wurde 2004 eingeführt, und Bahman Afzali wendet dieses Modell in seiner Praxis auch schon seit Jahren an.
An diesem Programm nehmen inzwischen über 16.000 Ärzte teil und fast 10 Millionen Krankenversicherte haben das Hausarztmodell gewählt. Aus Studien ist bekannt, dass die Patienten dadurch besser versorgt werden, sagt Bahman Afzali.
"Das Beste: Es wird ziemlich viel Geld eingespart und dieses Geld steht dann sowohl für konsequente Untersuchungen als auch für die Praxis zur Verfügung."
Diese Hausarztzentrierte Versorgung spare auch Geld im Gesundheitswesen, das dann gezielter für die Behandlung von Patienten eingesetzt werden könne, erklärt Bahman Afzali. In seiner Praxis würde ungefähr die Hälfte der Patienten an dem Programm teilnehmen.
Bessere Gesundheitsversorgung durch Primärarztsystem
Die Hausärzte, die an dem Programm teilnehmen, werden etwas besser vergütet. Sie sind dann dazu verpflichtet, die Befunde der Patienten und Patientinnen zu sammeln und an die richtigen Stellen weiterzuleiten, erklärt Bahman Afzali.
"Wir wissen aus Deutschland, aber auch aus anderen Ländern, dass Patienten, die in so einem Primärarztsystem sind, erstens länger leben, länger gesund sind und besser versorgt werden."
Ein Beispiel: Wer selbst versucht, den richtigen Arzt oder die passende Behandlung zu finden, wenn er zum Beispiel einen Druck auf der Brust hat, macht oft die Erfahrung, von einem Facharzt zum nächsten zu rennen. Am Ende stellt sich heraus, dass es weder mit dem Herzen noch mit der Lunge zu tun hatte, sondern mit einer muskulären Erkrankung, erklärt Bahman Afzali.
Ressourcen sparen
So werden Zeit und Ressourcen verschwendet im Gesundheitssystem verschwendet, aber auch aufseiten des Patienten. Das kann "durch eine vernünftige Primärdiagnostik am Anfang" vermieden werden, sagt Bahman Afzali.
Dieses Primärarztmodell gilt aber nicht für Augen- und Zahnarzt sowie Gynäkologie, erklärt Volker Finthammer, Deutschlandfunk-Hauptstadtkorrespondent mit Schwerpunkt Gesundheitspolitik. Angewendet werde es auf andere Fachbereiche wie Orthopädie oder bei Untersuchungsmethoden wie MRT oder CT.
Noch ist in dem Modell nicht klar definiert, ob eine Überweisung vom Hausarzt an den Facharzt immer zwingend notwendig ist, sagt Volker Finthammer. Aber um das Gesundheitssystem zu entlasten, kann das sinnvoll sein.
Denn wenn wir selbst entscheiden, welcher Facharzt der richtige für unsere Erkrankung ist, kann das mehr Kosten verursachen als die Einschätzung des Hausarztes, der uns dann weiter verweist.
"Diese Selbstkompetenz in medizinischen Fragen, die wir uns manchmal zuschreiben, ist eben auch nicht immer richtig."
Ein Riesenproblem beim Primärarztsystem sieht Volker Finthammer allerdings bei der Versorgung mit Hausärztinnen und -ärzten. Schon jetzt gibt es einen Hausarztmangel auf dem Land, aber auch in Großstädten heiße es bei vielen Hausärzten: Aufnahmestopp für Patient*innen.
Außerdem macht sich auch in diesem Bereich der demografische Wandel bemerkbar: Viele Hausärztinnen und -ärzte gehen in den kommenden Jahren in Rente. Und auf die Frage, wer nachfolgt, gibt es keine Antwort.
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