Zwischen Information, Selbstdiagnose und alltäglichen Problemchen: Psychologische Themen sind mit Vorsicht und Genauigkeit zu betrachten – besonders auf Social Media. Ein Blick in die Kanäle mit dem Psychologen Bastian Willenborg.

Sichtbarkeit kann Offenheit und Sensibilität für psychologische Themen und psychische Erkrankungen schaffen und Informationen bieten – grundsätzlich findet er es daher nicht schlimm, dass Psyche und Psychologie Thema auf Social Media sind, sagt der Psychologe Bastian Willenborg.

"Es ist schon so, dass es bestimmte Bevölkerungsgruppen oder Menschen gibt, die eine Diagnose als Lebensinhalt sehen können."
Bastian Willenborg, Psychiater und Klinikleiter

Eine ernstzunehmenden Selbstdiagnose lasse sich allerdings nicht via Netz treffen. Zum Thema ADHS zum Beispiel hat sich Bastian Willenborg einige Fragebögen angesehen, auch zu Autismus und Co. "Die kann man halt auch so beantworten, dass da der Verdacht rauskommt", stellt er fest.

Ein Online-Fragebogen macht keine Diagnose

Bei einem Patient*innengespräch könne er hingegen genauer hinschauen – bei ADHS zum Beispiel Schulzeugnisse ansehen, bewährte Fragenkataloge anwenden oder auch solche Fragebögen verwenden, die übereifrige Selbstdiagnostik identifizieren können.

"Das fällt schon auf im klinischen Interview: Ist das, was die Patienten beschreiben, im Leben nachvollziehbar? Ist es eben nicht nachvollziehbar?"
Bastian Willenborg, Psychiater und Klinikleiter

Er selbst ist nicht auf Tiktok, guckt aber gelegentlich aus Interesse, was Kolleginnen und Kollegen auf Instagram veröffentlichen: "Es gibt einige, die ich fachlich gut finde. Ich finde spannend, wie die das formulieren."

Die Trauma-Inflation

Über Traumata allerdings, findet Bastian Willenborg, wird eher zu häufig und zu leichtfertig gesprochen. Für seine vielen Patientinnen und Patienten mit einer Diagnose im Bereich der traumabedingten Belastungsstörungen sei es schwer, wenn der Trauma-Begriff allzu inflationär verwendet wird.

Er selbst sucht noch nach einem passenden, gemäßigteren Ersatz für das Wort Trauma – ein alternativer Begriff, der zwar Ereignisse beschreibt, die zwar zu Leid führen, deren Folgen aber den Kriterien einer Belastungsstörung nicht entsprechen.

Wir haben mit Bastian Willenborg außerdem über die Begriffe Overthinking, Gaslighting und das Main-Character-Syndrom gesprochen. Mit einem Klick auf Play hört ihr das ganze Gespräch.

Bastian Willenborg
© Wolfgang Stahr
Bastian Willenborg, Psychiater und Klinikleiter
Shownotes
Psyche und Medien
Trauma? Davon sprechen wir zu häufig
vom 18. Mai 2025
Moderation: 
Nik Potthoff
Gesprächspartner: 
Bastian Willenborg, Psychiater und Klinikleiter