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Der Dalai Lama wird 90 – doch Tibet fragt sich: Was kommt danach? China will den Nachfolger stellen. Dabei wird der Dalai Lama traditionsgemäß per Reinkarnation in Tibet gesucht. Wie reagieren die Tibeter und was hat China vor?

"Der Dalai Lama ist unsere Hoffnung, unsere Identität, unsere Seele." So beschreibt Dondup Donka, Exil-Tibeter aus Berlin die Bedeutung des geistigen Oberhaupts Tibets. Am 6. Juli wird er, der 14. Dalai Lama, 90 Jahre alt.

Im nordindischen Dharamsala wird der neunzigste Geburtstag groß gefeiert mit Kulturveranstaltungen, Gebeten und prominenten Gästen. Auch in Frankfurt am Main ist ein Fest mit 700 Gästen geplant. Dondup Donka hat es mitorganisiert. Doch der feierliche Anlass wird überschattet von Sorgen. Mit dem Alter des Dalai Lama rückt seine Nachfolge unausweichlich näher. Und mit ihr der politische Konflikt mit China.

Es geht auch um die Zukunft Tibets

Anfang der 1950-er Jahre begann China, Tibet militärisch zu besetzen. Seitdem ist Tibet offiziell eine autonome Region innerhalb der Volksrepublik. Der Dalai Lama floh am Anfang der Besetzungszeit über das Himalaya-Gebirge ins Exil in Nordindien. Er lebt dort bis heute mit anderen Tibeter*innen, die ihm gefolgt sind.

"Tenzin Gyatso, der aktuelle Dalai Lama, ist nicht nur das höchste spirituelle Oberhaupt des tibetischen Buddhismus, sondern auch eine weltweite moralische Autorität", sagt Peter Hornung, ARD-Korrespondent in Indien. Der Dalai Lama stehe für Gewaltfreiheit, Menschenrechte, Mitgefühl. Dafür wurde er 1989 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

"Ich würde fast sagen, der Dalai Lama ist so etwas wie ein Weltgewissen."
Peter Hornung, ARD-Korrespondent

Ein Nachfolger nach traditionellem Verfahren oder aus der Lostrommel?

Nun hat der Dalai Lama am Mittwoch (2.07.2025) vor seinem 90. Geburtstag verkündet: Es wird einen Nachfolger geben. Dieser soll traditionell gefunden werden. Das bedeutet: Nach dem Tod des Dalai Lamas beginnt eine aufwendige Suche nach seiner Wiedergeburt. Diese könnte Jahre dauern.

"Es ist ein langwieriges Verfahren", erklärt Peter Hornung. "Man hört auf Prophezeiungen, interpretiert Orakel und Hinweise auf Ort und Zeit der Reinkarnation. Dann wird eine Kommission gebildet, die den Nachfolger findet." Der jetzige Dalai Lama wurde vier Jahre nach dem Tod des Vorgängers gefunden. Das war 1937 in einem entlegenen tibetischen Dorf. Damals war der heutige Dalai Lama gerade einmal zwei Jahre alt.

China hat bereits angekündigt, diese Tradition nicht zu akzeptieren. Stattdessen möchte die Regierung in Peking selbst die Auswahl in die Hand nehmen – mit einer goldenen Lostrommel. Der Korrespondent erklärt: Darin sollen nur Namen von Kandidaten zu finden sein, die zuvor von der Regierung abgenickt wurden. Ein Vorhaben, das aus tibetischer Sicht nichts mit religiöser Legitimität zu tun hat, kritisiert Dondup Donka. "Wie wir alle wissen, bezeichnet China Religion als Gift. Daher ist das Vorhaben Chinas merkwürdig und nicht glaubwürdig."

Der Fall Panchen Lama

Dass es dennoch nicht unmöglich ist, zeigt dieser Fall, von dem Peter Hornung berichtet. 1995 wurde der Panchen Lama, der zweithöchster Würdenträger nach dem Dalai Lama gemeinsam mit seiner Familie entführt. Seitdem fehlt jede Spur von ihm.

Die Exil-Tibeter*innen in Nordindien trauern dem Panachem Lama bis heute hinterher, erzählt der Journalist. "Wenn man heute durch tibetische Siedlungen in Nordindien geht, sieht man überall Plakate mit der Frage: Wo ist der Panchen Lama?" Und China? Das hat stattdessen einen eigenen, selbsternannten Panchen Lama präsentiert.

"Wenn China selbst einen Dalai Lama bestimmt, wird das niemand anerkennen, weder wir Tibeter noch die Weltgemeinschaft."
Dondup Donka, Exil-Tibeter

Die Nachfolge des Dalai Lama ist also weit mehr als eine religiöse Angelegenheit. Sie ist mit der Frage verbunden, ob Tibet kulturell, spirituell und vielleicht sogar politisch eines Tages seine Selbstbestimmung zurückgewinnen kann. Dondup Donka will die Hoffnung auf ein freies Tibet nicht aufgeben. Das habe er auch vom Dalai Lama gelernt. "Niemand hätte gedacht, dass die Berliner Mauer fällt. Oder dass die Sowjetunion zerfällt. Auch China wird sich verändern und dann wird Tibet frei sein."

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Reinkarnation verboten
China fürchtet den nächsten Dalai Lama: Das sind die Gründe
vom 03. Juli 2025
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartner: 
Peter Hornung, Korrespondent in Indien
Gesprächspartner: 
Dondup Donka, Exil-Tibeter