Für einige Menschen ist es nicht leicht, auf Ablehnung zu stoßen. Sie wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Um das zu ändern, geben sie Vollgas – und begeben sich freiwillig in möglichst viele Situationen, in denen sie Ablehnung erfahren.
Auf Instagram und TikTok gibt es zurzeit viele Videos, in denen Menschen zeigen, wie sie sich eine richtige Abfuhr einholen: Sie klingeln an Türen, bitten um Dinge, sprechen wildfremde Menschen an.
"Rejection Therapy" nennt sich das. Die Idee dahinter: Sich selbst überwinden andere etwas zu fragen und mit jedem Nein lernen, dass das kein Weltuntergang ist. Funktioniert diese Art der Abhärtung?
Zurückweisung im Job kennen viele
Unser Reporter Stephan Beuting weiß aus Erfahrung: Auch Reporterinnen und Reporter erfahren oft Ablehnung. Beispielsweise, wenn sie auf der Straße unterwegs sind, um Menschen zu befragen. Er ist beispielsweise losgezogen, um mit Leuten über das Thema Zurückweisung zu sprechen – und wurde dabei oft abgewimmelt.
Nach mehreren Anläufen traf er aber Ronja, die mit ihm geredet hat. Vielleicht, weil auch sie schon auf ähnliche Ablehnung in ihrem Job als Promoterin gestoßen ist.
"Ich habe früher Promotion-Jobs gemacht, wo ich auf der Straße stand und Leuten was in die Hand drücken wollte. Und da hab ich gemerkt, wie unangenehm das sein kann, weil die Leute gucken an einem vorbei und gehen."
Diesen Ablehungs-Moment, den Ronja durch ihre Promo-Jobs und Stephan als Reporter sehr gut kennen, den suchen gerade Tausende TikTokerinnen und Instagrammer einfach so.
Eher Challenge statt Therapie
Ein Trend in den Sozialen Medien, den auch Diplom-Psychologin Amina Özelsel mitbekommen hat. Sie würde das Ganze allerdings lieber als Challenge statt als Therapie bezeichnen. Sie sagt, die Idee, dass Menschen, die keine besonderen sozialen Ängste haben, sich diesem Reiz aussetzen und daran gewöhnen, das sei verhaltenstherapeutisch gut erprobt.
"Wenn ich in der Situation bleibe, dann passiert nicht diese Fantasie, die ich habe, nämlich dass es immer, immer schlimmer wird [...], sondern ich fange an, mich daran zu gewöhnen, und mein Nervensystem entspannt sich."
Angefangen hat alles mit einem kanadischen ITler, der sich vor Ablehnung fürchtete. Jason Comely erfand ein Kartenspiel mit Aufgaben, der Name: Rejection Therapy.
Zurückweisung nicht persönlich nehmen
Dann kam der US-Unternehmer Jia Jiang und machte die Sache größer: Er versetzte sich selbst 100 Tage in unangenehme Situationen, um seine Angst vor Zurückweisung zu überwinden und dokumentierte alles in einem Videoblog. Dabei erkannte er nach und nach, dass die Ablehnung nichts mit ihm persönlich zu tun haben muss, und es sich lohnt, genauer hinzuschauen. Ähnlich sieht es Diplom-Psychologin Amina Özelsel.
"Ich glaube, gerade viele von uns, die vielleicht in der Kindheit mit Ablehnungserfahrungen aufwachsen: Wir stellen nie die Warum-Frage und kriegen auch nie eine Antwort darauf."
Wenn wir immer nur Ablehnung erfahren, aber nie eine Erklärung dafür bekommen, füllen Betroffene das oft mit ihren eigenen Befürchtungen. Sie denken dann zum Beispiel: "Wir werden abgelehnt, weil wir schlechte Menschen sind, weil wir es nicht wert sind" und so weiter.
Ablehnung kann weh tun. Doch Dinge nicht zu versuchen, aus Angst vor einer Ablehnung, ist auch keine Lösung, findet unser Reporter. Sein Fazit: "Wir haben es in der Hand, ob wir uns durch die Angst vor Ablehnung definieren lassen, oder ob wir an dieser Aufgabe wachsen wollen."