Öl gibt es gerade mehr als genug. Bei der US-Sorte WTI haben sich viele Anleger bei Termingeschäften verkalkuliert. Für bestimmte Öl-Papiere mussten sie draufzahlen.

Der Ölpreis der US-Ölsorte West Texas Intermediate (WTI) ist in den negativen Bereich gefallen. Genauer: der Preis für WTI-Terminkontrakte – auch Futures genannt. Das hat es - seit mit diesen Rohstoff-Wertpapieren gehandelt wird - noch nie gegeben. Im Energiesektor gibt es negative Preise am ehesten noch beim Strom. Am 21.04.2020 ist der Mai-Kontrakt auf WTI ausgelaufen. Wer die Papiere hält, der bekommt das Öl dann auch physisch.

"Manche Spekulanten hatten Finanzpapiere auf Öl gekauft. Und wenn die bis zu dieser Deadline diese Papiere nicht loswerden, dann wird denen das Öl buchstäblich vor die Tür gestellt."
Victor Gojdka, ARD Börsenstudio Frankfurt

Der Preis für WTI-Kontrakte notierte zeitweise bei minus 16,74 US-Dollar je Barrel, also rund 159 Liter. Am 20.04.2020 war der Preis erstmals in den negativen Bereich und sogar auf minus 40,32 Dollar gerutscht. Verkäufer mussten also Geld bezahlen, damit ihnen jemand den Future abnimmt.

Während der Pandemie wird weltweit weniger Erdöl gebraucht, weil eben die Industrieproduktion stark zurückgefahren und der Flugverkehr stark eingeschränkt ist.

Lagerplatz ist Mangelware

Auf der anderen Seite holen die großen Ölländer Saudi Arabien, Russland und die USA weiterhin große Ölmengen aus der Erde. Victor Gojdka sagt: "Die überschwemmen den Markt geradezu mit Öl." Wegen der enormen Mengen ist schon absehbar, dass die Lagerkapazitäten erschöpft sein werden. Restliche Kapazitäten werden zu hohen Preisen verkauft.

"Das schießt alles in Lager, und das hat wirklich irre Dimensionen. In den wichtigsten Öllagern in den USA wird jetzt jeden Tag ungefähr so viel eingelagert wie Belgien an einem Tag an Öl verbraucht."
Victor Gojdka, ARD Börsenstudio Frankfurt

Eine stärkere Drosselung der Ölförderung ist unterdessen nicht in Sicht. Zwar hat sich das Kartell ölfördernder Länder OPEC nach wochenlangem Streit auf geringere Fördermengen geeinigt. Die Absprachen unter der Vielzahl von kleinen Ölförderunternehmen in den USA lasse eine vergleichbare Einigung dort allerdings kaum zu, meint Victor Gojdka.

"In den USA gibt es Tausende kleiner Öl-Klitschen, die haben buchstäblich ein Bohrloch bei sich im Garten stehen. Eine Einigung klappt da erst recht nicht."
Victor Gojdka, ARD Börsenstudio Frankfurt

Für den europäischen Ölmarkt ist der Preisverfall bei den WTI-Futures allerdings nicht entscheidend. Dort ist die entscheidende Ölsorte Brent.

Sinkender Preis für Brent-Öl

Zwar ist auch der Preis dieser Sorte im Vergleich zu Jahresbeginn 2020 – dazu auch die Statistik unten – massiv gesunken, wie auch die Preise von Brent-Futures. Von negativen Werten sind sie aber noch recht weit entfernt (Stand 22.04.2020).

Monatsdurchschnittspreise der Ölsorte Brent in US-Dollar je Barrel bis März 2020
© Statista | Quellen: Opec | IEA | MWV
Monatsdurchschnittspreise der Ölsorte Brent in US-Dollar je Barrel bis März 2020

An Tankstellen zeigen sich die niedrigen Preise am Ölmarkt übrigens nur mit einer Verzögerung. Dort zieht auch der hohe Steueranteil von 65 Cent Mineralölsteuer je Liter eine Preisuntergrenze. Der Dieselpreis liegt allerdings schon manchmal unter einem Euro.

"Wenn man jetzt mal ein Liter Diesel tanken will, dann kriegt man den ab und an schon für unter einen Euro."
Victor Gojdka, ARD Börsenstudio Frankfurt

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Shownotes
Rohstoffe
Ölpreis unter Null: Die Tanks in den USA sind voll
vom 21. April 2020
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartner: 
Victor Gojdka, ARD Börsenstudio Frankfurt