Der offene Machtkampf zwischen der Söldnerfirma Wagner, Wladimir Putin und der russischen Armee scheint beendet – oberflächlich jedenfalls. Ein Blick auf die Machtverhältnisse.
Nachdem er mit seinen Söldnern das Hauptquartier der russischen Streitkräfte in Rostow am Don eingenommen hat, ist Jewgeni Prigoschin mit seinen Einheiten Richtung Moskau marschiert. Rund zweihundert Kilometer vor der Stadt hat der Söldner-Chef den Aufstand gegen die russische Militärführung aufgegeben.
"Prigoschin stand mit dem Rücken zur Wand. Ich glaube nicht, dass er das lange geplant hat, sondern dass das wirklich eine Flucht nach vorne war."
Nachdem Jewgeni Prigoschin die russische Armeeführung in Rostow nicht ergreifen konnte, habe er offenbar die Flucht nach vorn angetreten – Richtung Moskau, sagt Gesine Dornblüth. Sie ist Autorin und ehemalige Dlf-Russlandkorrespondentin. Das Ergebnis von nicht genauer definierten Verhandlungen ist nun, dass Jewgeni Prigoschin sich nach Belarus zurückziehen wird.
Dem Söldner-Chef drohte zum 01.07.2023 der Verlust seiner Machtfülle, darauf weist Gesine Dornblüth hin. Zu diesem Termin hätte eine Anordnung Jewgeni Prigoschin gezwungen, sich und seine Söldnereinheiten der russischen Armee unterzuordnen. Mit seinem Aufstand habe er versucht, sein Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten und direkten Kontakt zu Machthaber Vladimir Putin herzustellen.
Verhandlung mit Alexander Lukaschenko
Der russische Geheimdienst könnte zu dem Ergebnis entscheidend beigetragen haben. Familienmitglieder der Wagner-Führung sollen bedroht worden sein. Außerdem soll auch der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko an den Gesprächen beteiligt gewesen sein.
Für Wladimir Putin kommt der Söldner-Aufstand ungelegen. "Auf jeden Fall wird Putin das als Zeichen der Schwäche ausgelegt", ist Gesine Dornblüth überzeugt.
Militärische Abhängigkeit
Militärisch ist der russische Machthaber auf die Wagner-Einheiten angewiesen – in der Ukraine und auf dem afrikanischen Kontinent.
"Ich bin mir nicht sicher, ob sich Putin von heute auf morgen von Prigoschin und seinen Soldaten in Afrika eigentlich verabschieden könnte."
Vladimir Putin ist also weiterhin bis zu einem gewissen Grad auf den Verräter Jewgeni Prigoschin angewiesen. Dessen plötzlicher, gewaltsamer Tod sei ebenso vorstellbar, wie eine Flucht nach Afrika oder ein erneutes militärisches Eingreifen in den Ukraine-Krieg, findet Gesine Dornblüth. Denn wirklichen Schutz vor den Rachewünschen Vladimir Putins biete Belarus sicherlich nicht.
"Belarus, das ist kein 'sicheres' Drittland, in das man so gemeinhin flieht. Das ist eigentlich ein Protektorat Russlands."