An der Grenze zur Ukraine stehen russische Soldaten. Wird Russland in die Ukraine einmarschieren? Seit Wochen versuchen westliche Politiker und Politikerinnen zu deeskalieren. Wir haben eine ukrainische Journalistin gefragt, wie die Menschen in der Ukraine die aktuelle Situation sehen.
"Im Prinzip ist die ganze Situation in Kiew und in der Ukraine ruhig", sagt Daria Meshcheriakova. Sie ist freie Journalistin und lebt in Kiew. Die russischen Truppen stehen zwar an der ukrainischen Grenze, aber das tun sie schon seit 2014, gibt sie zu bedenken. Das sei auch der Grund, warum die Bevölkerung ruhig bleibe, denn seit acht Jahren besteht diese Kriegsgefahr – täglich.
"Die Bevölkerung ist deshalb so ruhig, weil sie seit acht Jahren jeden Tag hört, dass Russland morgen angreift."
Die Menschen in der Ukraine haben sich nach Meinung von Daria Meshcheriakova an die Situation gewöhnt. Im Gegensatz dazu werde in westlichen Medien darüber berichtet, dass die Situation eskalieren könnte. Das verunsichere einige. Zum Beispiel ihre Nachbarin, die sie gefragt hätte, wann nun der Krieg ausbreche, sie hätte schon alle Koffer gepackt und sei zur Flucht bereit.
Welchen Vorteil hätte Russland von dem Einmarsch in der Ukraine?
Für Daria Meshcheriakova drückt sich in der westlichen Berichterstattung auch eine politische Strategie im Vorfeld der Verhandlungen mit Russland aus. Denn aus ihrer Sicht gebe es keinen Grund für Russland, die Ukraine anzugreifen.
"Ich sehe nicht, dass Russland die Ukraine angreift. Wozu auch?"
Die Frage sei, welches Ziel Russland mit einem Angriff auf die Ukraine verfolge. Die Krim sei strategisch für Russland sehr wichtig gewesen. Auch der Donbass habe eine große Bedeutung für die russische Bevölkerung. Beide Regionen halte Russland unter seiner Kontrolle. Aber es gebe kein Interesse an der ganzen Ukraine, meint die Journalistin.
Ständige Bedrohungssituation
Die Situation der Bevölkerung in der Ostukraine sei anders, sagt Daria Meshcheriakova, deren Eltern im ostukrainischen Luhansk leben. Dort würden jeden Tag Panzer durch die Straßen rollen, viele bewaffnete Menschen seien dort unterwegs und Russland liege quasi um die Ecke.
"Es gibt seit 2014 jeden Tag diese Kriegsangst in der Ostukraine."
Im November 2021 habe es sehr viele Gerüchte gegeben, dass Russland einmarschieren wolle. Teile ihrer Verwandtschaft seien für ein paar Wochen geflohen – nach Russland. Als dann aber nichts passiert sei, seien sie wieder zurückgekehrt.