Weiterhin Präsenzunterricht oder lieber nur noch online? Um diese Entscheidung zu treffen, muss geklärt werden, ob Schulen Corona-Hotspots sind oder nicht. Der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth plädiert dafür, die Schulen offen zu lassen, weil sich bei Online-Unterricht kaum Lernfortschritte zeigen.
Der Lockdown light wird möglicherweise verlängert und könnte dann bis kurz vor Weihnachten andauern. Worüber sich Politiker noch uneinig sind: Ob es Präsenzunterricht geben sollte, oder ob man die Schulen auch lieber schließen sollte. Die Frage dahinter ist also: Sind Schulen Corona-Hotspots oder nicht?
Auch Kinder können – sogar lebensgefährlich – an Covid-19 erkranken, daran bestehe gar kein Zweifel, sagt der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth. Aber die überwiegende Mehrheit bekomme eben nur ganz leichte Symptome, oder bemerke sogar nichts.
Dass deshalb aber die Dunkelziffer der unerkannten Corona-Infektionen bei Kindern besonders hoch ist, sei nicht zutreffend, sagt Volkart Wildermuth.
Für eine aktuelle Studie wurde bei 110.000 jungen Patienten, die aus anderen Gründen in Arztpraxen oder Klinken kamen, zusätzlich einen Coronatest gemacht. Das Ergebnis: Der Test war nur bei etwa einem halben Prozent positiv.
"Die Schulen scheinen nicht der Treiber der Epidemie zu sein. Da unterscheidet sich das Coronavirus tatsächlich von der Influenza."
Die Zahlen des Robert Koch-Instituts zeigten aber auch, sagt Volkart Wildermuth, dass das Virus, ausgehend von jungen Erwachsenen, nicht nur die Älteren, sondern auch Schüler erreiche.
Zuerst die Oberschüler und dann nach und nach auch die jüngeren. Aktuell liegt bei den untern 10-jährigen die 7-Tage-Inzidenz bei 77, also nur halb so hoch, wie im Bevölkerungsdurchschnitt.
Kein Zusammenhang zwischen Epidemie und geöffneten Schulen
Deutsche Ökonomen haben sich beispielsweise angesehen, ob es mit dem Ende der Sommerferien in den unterschiedlichen Bundesländern einen Anstieg der Corona-Fälle gab. Damit wollten sie feststellen, ob es einen Zusammenhang gibt. Das war allerdings nicht der Fall.
Auch eine internationale Studie konnte in 191 Ländern keinen Zusammenhang zwischen der Epidemie und dem Schließen und Wiederöffnen von Schulen nachweisen.
"Im Moment sieht es nicht so aus, als ob die Schulen zentral für die Verbreitung des Virus wären."
Ausbrüche an Schulen sind vergleichsweise eher selten und betreffen auch weniger Personen, sagt der Wissenschaftsjournalist. Unterm Strich ist es eher so, dass die Infektionen immer wieder auch in die Schulen eingetragen werden, aber weniger so, dass Schulen ihrerseits massiv zur Ausbreitung der Viren in der Gesellschaft beitragen.
Das hänge allerdings auch ein bisschen davon ab, wie alt die Schüler und Schülerinnen sind, sagt Volkart Wildermuth. Denn Jugendliche ab 15 Jahren infizieren sich fast genauso häufig wie ältere Menschen, weil sie viele Kontakte haben.
Online-Unterricht nicht so effektiv wie Präsenzunterricht
Die Universität Oxford hat sich die Leistungen der Schüler während des ersten Lockdowns in England angesehen. Froschende konnten kaum Lernfortschritte sehen, wenn die Schüler Online-Unterricht hatten. Umso weniger, je bildungsferner das Elternhaus war.
Das spreche dafür, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten, sagt Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth. Allerdings mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen, fügt er hinzu.
Kreative Lösungen sind gefragt
Das Robert Koch-Institut würde inzwischen fast überall empfehlen, dass auch Grundschülerinnen und Grundschüler einen Mund-Nase-Schutz im Unterricht tragen und Schülergruppen aufgeteilt werden. Auch in Schulbussen und im Hort sei es wichtig, die Kontakte gering zu halten, sagt der Wissenschaftsjournalist.
Hier seien kreative Lösungen gefragt: beispielsweise, dass Reisebusse, die derzeit still stehen, für Schulrouten eingesetzten werden. Auch Jugendherbergen, die zurzeit leer stehen, könnten für den Unterricht genutzt werden. Eine weitere Idee: Lehramtsstudenten und -studentinnen als extra Lehrkräfte einzusetzen.
Um den Präsenzunterricht beibehalten zu können und die Schulen geöffnet zu lassen, müssten Schulen, Schulämter und Kulturbehörden möglichst flexibel sein, empfiehlt Volkart Wildermuth.