Im Film und Theater gibt es für Menschen mit Behinderung oft noch Rollen, die sie auf ihre Behinderung reduzieren. Inklusion findet bisher wenig statt – auf der Bühne, vor der Kamera und vor allem auch bei der Ausbildung. Für Schauspielende mit Behinderung gibt es kaum Ausbildungsmöglichkeiten.
Seit ihrer ersten Staffel bekommt die Serie "Sex Education" viel Lob für ihre diverse Besetzung. Schauspieler George Robinson zum Beispiel spielt Isaac. Wie der Schauspieler sitzt auch die Serienfigur im Rollstuhl. Für die Erzählung der Geschichte von Isaac spielt die Behinderung aber keine entscheidende Rolle. Mit dieser Umsetzung gehört die Serie bisher allerdings eher zu den Ausnahmen.
Besonders im Film wird die Behinderung der Schauspielenden aktuell noch oft in den Vordergrund gestellt, sagt Jutta Schubert vom Dachverband für Kunst und Inklusion Eucrea. "Es wird auch noch ein langer Prozess sein, dass ein Mensch mit Behinderung im Film nicht nur einen Menschen mit Behinderung darstellt, sondern zum Beispiel als Sekretärin am Schreibtisch im Rollstuhl sitzt und die Behinderung keine große Rolle spielt", sagt sie.
Begrenztes Ausbildungsangebot für Menschen mit Behinderung
Wie es um Inklusion in der Film- und Theaterbranche steht, zeigt auch ein Blick auf das Angebot der Schauspielausbildung. Das ist in Deutschland für Menschen mit Behinderung noch ziemlich begrenzt. Der Grund: Bis vor wenigen Jahren wurden Menschen mit einer Behinderung von der Schauspielausbildung quasi ausgeschlossen, weil dafür eine körperliche und psychische Unversehrtheit vorausgesetzt wurde, so Jutta Schubert.
"Niemand wird Sie jemals besetzen"
Schauspielerin Yulia Yáñez Schmidt hat erfahren, was das bedeutet. Die Schauspielerin hat seit ihrer Geburt eine Unterschenkelamputation. Als sie sich vor mehr als zehn Jahren an staatlichen Schauspielschulen beworben hat, wurde sie abgelehnt. "Man hat mir an einer Schule gesagt: 'Wir könnten Sie vielleicht ausbilden, aber niemand wird Sie jemals besetzen. Sie auf die Bühne zu stellen, ist immer ein Politikum und deswegen lohnt es sich für uns nicht, in Sie zu investieren, wenn wir Sie danach in keinem Theater untergebracht bekommen", erzählt sie.
"Damals war es scheinbar ein riesengroßes Problem und unvorstellbar, mit einer Prothese die Ausbildung zu machen und Schauspielerin zu werden."
Mehr diverse Besetzung
Heute gehört Yulia Yáñez Schmidt zum Ensemble vom Jungen Schauspiel Düsseldorf. Das Handwerk für ihren Beruf hat sie im inklusiven Schauspielstudio am Schauspiel Wuppertal erlernt - das Studio ist eine Kooperation mit der Akademie der inklusiven Künste "Glanzstoff". Das Projekt ist eines der wenigen Angebote in Deutschland, bei dem Menschen mit Behinderung lernen, was es braucht, um als professionelle*r Schauspieler*in zu arbeiten. Dafür wurde Yulia Yáñez Schmidt in allen schauspielrelevanten Fächern wie Stimmbildung oder Szenenstudien unterrichtet und hat auch bei den Stücken vom Schauspiel Wuppertal mitgespielt.
Drei Jahre lang hat sie zusammen mit vier weiteren Schüler*innen an dem Projekt teilgenommen. Die kleine Klassengröße hatte den Vorteil, dass auf die individuellen Bedürfnisse der Schauspielschüler*innen eingegangen werden konnte. Wenn eine*r von ihnen zum Beispiel an einem Tag in der Woche regelmäßig bei der Physiotherapie war, war es kein Problem, dass sie nicht am Unterricht teilnehmen konnte.
Nach ihrem Abschluss in dem Schauspielstudio hat sich Yulia Yáñez Schmidt bei verschiedenen Theatern beworben und ist dann zum Schauspielhaus Düsseldorf gekommen. Ihre Behinderung hat bei der Besetzung der Stücke bisher keine Rolle gespielt, sagt sie.
Das wünscht sich auch Rasmus Adams. Er ist seit vielen Jahren hobbymäßig Theaterschauspieler. Jetzt möchte Rasmus Adams eine professionelle Schauspielausbildung machen und später einmal "einen Kommissar wie im Tatort spielen, oder einen reichen Mann, der eine Firma leitet, oder einen Politiker", erzählt er. Dafür hat er sich für die inklusive Schauspielausbildung an der privaten Schauspielschule "Der Keller" beworben.
Die Kölner Schauspielschule startet im August 2023 einen neuen Ausbildungsgang, der sich an Menschen mit einer kognitiver Beeinträchtigung richtet.
"Ich würde mir wünschen, dass nicht die Behinderung in den Vordergrund gestellt wird, sondern die Rolle eine andere ist. Menschen mit Behinderung können auch andere Rollen besetzen – das haben sie schon eindrucksvoll gezeigt."