Jan arbeitet dann, wenn andere noch schlafen oder schon längst Feierabend haben: Er arbeitet im Schichtdienst. Ihm gefällt die Abwechslung. Für die innere Uhr ist Schichtarbeit weniger optimal. Und auch für die Freizeit kann sie eine Herausforderung sein.
Wenn Jan mit seiner Kehrmaschine in der Stadt unterwegs ist und mitbekommt, wie die Sonne aufgeht, freut ihn das. Das sind die Momente, in denen er immer wieder feststellt: Sein Job macht ihm Spaß.
Bei Jan ist keine Woche wie die andere: Mal ist er schon längst auf den Beinen, wenn die meisten gerade wach werden. Und in anderen Wochen fängt er mit dem Arbeiten an, wenn andere zu Mittag essen. Jan arbeitet im Schichtdienst. Dafür hat er sich bewusst entschieden, weil er die Abwechslung mag, sagt er.
Jan ist Fahrer bei der Berliner Stadtreinigung. Einen Job im Büro, bei dem er dann jeden Tag von 8 bis 16 Uhr arbeitet, kann er sich nicht vorstellen. Im Schichtdienst bekommt er nämlich unterschiedliche Seiten der Stadt mit, findet er.
Und auch in seiner Freizeit kann er das für sich nutzen. In einer Spätdienstwoche kann er zum Beispiel ausschlafen, in Ruhe frühstücken, den Haushalt oder Termine erledigen – und das alles, bevor sein Arbeitstag anfängt. Wenn er in der Woche danach wieder Frühschicht hat und um 5.30 Uhr anfängt, hat er dann dafür am Nachmittag mehr Zeit.
Schichtarbeit und Freizeit
Der Wechsel von einer Woche früh zu einer Woche spät bedeutet aber auch, dass Jan seine Freizeit um die Arbeitszeiten herumplanen muss. Im Winter kann es auch schon mal vorkommen, dass er um zwei Uhr nachts aus dem Bett geklingelt wird, weil es schneit und er die Straßen räumen muss.
Das heißt: In einer Frühdienstwoche spontan abends ins Kino gehen wird eher schwierig. Für seine Freund*innen ist seine Schichtarbeit kein Problem, erzählt Jan. Bei seiner letzten Beziehung war es hingegen schon ein Thema. Das war nicht so einfach, sagt er.
Fast jeder Fünfte im Schichtdienst
Wie Jan arbeitet fast jede*r Fünfte in Deutschland in Schichten. Fast jede*r Zehnte hat sogar regelmäßig Nachtschichten. Das zeigt ein Bericht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).
Der Begriff "Schichtarbeit" ist nicht genau definiert. In der Regel wird darunter verstanden, dass Beschäftigte entweder zu wechselnden Tag- und Nachtzeiten arbeiten – oder konstant zu ungewöhnlichen Zeiten, die außerhalb der Kernzeit zwischen 7 und 19 Uhr liegen.
"Meine Freunde haben volles Verständnis dafür. Aber etwas in Richtung Partnerschaft finden, ist dann schon schwieriger. Da noch jemanden einzubinden oder auch Zeit dafür zu finden."
Für das Sozialleben kann Schichtarbeit herausfordernd sein, weil die Arbeit quasi den Rhythmus vorgibt. Daniela Tieves-Sander ist Soziologin und hat über die Auswirkungen von Schichtarbeit promoviert. Sie ist auch Arbeitsschützerin bei der Gewerkschaft IG Metall. Und sie hat Forderungen, wie Schichtarbeitenden ein besseres Sozialleben ermöglicht werden soll. Dabei geht es vor allem um klare Regelungen, dass Arbeitszeiten planbar sind. Dahinter liegen Fragen wie: Bis wann und wie häufig dürfen meine Schichten geändert werden?
Über solche Vorgaben wäre dann für die Beschäftigten sichergestellt, dass sie zum Beispiel an einem freien Wochenende nicht doch kurzfristig einspringen müssen. "Das sieht man auch in Untersuchungen, dass Schichtarbeitende mit ihrer Arbeitszeit viel zufriedener sind, wenn sie sagen: Ich habe planbare Arbeitszeiten", sagt Daniela Tieves-Sander.
Schichtarbeit und Gesundheit
Neben der sozialen Komponenten gibt es auch eine körperliche: Denn arbeiten, wenn der Körper eigentlich schlafen möchte, wirkt sich auf die innere Uhr aus. "Der Schlafzeitpunkt der Normalbevölkerung ist zwischen 0 Uhr und 8 Uhr. Jeder Dienst, der diese Schlafzeiten sozusagen berührt, ist ein Dienst, der dann auch die innere Uhr ein Stück weit durcheinanderbringt", erklärt Volker Harth. Er ist Professor für Arbeitsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
"Der menschliche Rhythmus ist primär erst mal genetisch veranlagt."
Eine Folge davon könne dann sein, dass der Schlaf unruhiger oder schlechter ist. Auch das Essverhalten könne sich dadurch verändern, genauso wie das Gewicht. Bei einer Nachtschicht zum Beispiel sollte das Essen nicht zu schwer oder fettig sein, sagt Volker Harth. Leichtes Essen erhöht die Chancen, dass der Schlaf nach der Arbeit gut wird.
Dem Körper Ruhezeiten geben
Was auch hilft, um den Körper im Schichtdienst zu unterstützen, sind Ruhezeiten. Einerseits sollten die Schichten so gelegt werden, dass zwischen den Diensten bestimmte Pausen eingelegt werden. Das heißt: Es ist besser, wenn auf einen Frühdienst ein Spätdienst folgt und dann die Nachtschicht. Das ist der Idealfall. Wovon abgeraten wird: Mit einem Spätdienst starten und dann in den Frühdienst wechseln. Dadurch kommt die innere Uhr nämlich stärker durcheinander.
Andererseits sind Ruhezeiten nach einem Block Schichtarbeit wichtig. Wenn auf Schichtdiensttage auch mehrere freie Tage folgen, kann sich der Körper wieder auf seinen natürlichen 24 Stunden-Rhythmus einstellen.
Krank durch Schichtarbeit?
Neben den Auswirkungen von Schichtarbeit auf den Schlaf geht es in der aktuellen Forschung auch um die Frage, wie diese Art des Arbeitens Erkrankungen beeinflusst, erklärt der Arbeitsmediziner – Bluthochdruck oder Stoffwechselstörungen zum Beispiel, aber auch die Abnahme der Konzentrationsfähigkeit.
Jan geht es mit seiner Schichtarbeit so weit gut, sagt er. Er arbeitet seit 2021 im Schichtdienst. "Ich bin auch noch ziemlich jung", sagt er. "Aber ich glaube, im Alter wird es schon schwieriger und dass der Körper das auf jeden Fall merkt und einem nicht wirklich dankt." Noch ist das für ihn aber kein Thema. Er hat weiterhin Spaß dabei, wenn er mit seiner Kehrmaschine in Berlin unterwegs ist.
Meldet euch!
Ihr könnt das Team von Facts & Feelings über Whatsapp erreichen.
Uns interessiert: Was beschäftigt euch? Habt ihr ein Thema, über das wir unbedingt in der Sendung und im Podcast sprechen sollen?
Schickt uns eine Sprachnachricht oder schreibt uns per 0160-91360852 oder an factsundfeelings@deutschlandradio.de.
Wichtig: Wenn ihr diese Nummer speichert und uns eine Nachricht schickt, akzeptiert ihr unsere Regeln zum Datenschutz und bei Whatsapp die Datenschutzrichtlinien von Whatsapp.