Schlepper machen viel Geld, weil Flüchtende einen hohen Preis bezahlen, etwa für eine Passage in einem maroden Boot über das Mittelmeer. Nicht selten bezahlen sie am Ende mit dem Leben. Flüchtlingsboote von der Abfahrt abzuhalten, könnte dabei helfen, dieses Geschäftsmodell zu unterbinden, sagt unser Korrespondent Jörg Seisselberg.

Krieg, Hunger, religiöse oder ethnische Verfolgung sind nur ein paar der Gründe, weshalb Menschen ihre Heimat verlassen und in eine anderes Land fliehen. Solch eine Flucht ist mit hohen Kosten verbunden: Bis zu 4.000 Euro kostet ein längerer Fluchtweg. Für eine Flucht über den Meerweg aus einem benachbarten Land, zum Beispiel von Ägypten nach Italien, muss man schätzungsweise 2.000 bis 3.000 Euro aufbringen.

Meist sind es Menschen, die zur Mittelschicht ihres Landes zählen, die das Geld für einen Platz auf einem Flüchtlingsboot aufbringen können. Das berichtet unser Korrespondent in Italien, Jörg Seisselberg, der mit Geflüchteten gesprochen und viel zu diesem Thema recherchiert hat.

Tagelang ohne Nahrung und Wasser

Oft ohne Nahrung und Wasser befinden sich Flüchtende bisweilen tagelang auf dem Mittelmeer – darunter nicht selten auch Schwangere und Kinder. Erst kürzlich in der Nacht zum Mittwoch (14.06.2023) ist ein völlig überfülltes Schiff mit – nach Aussage Überlebender – über 700 Passagieren vor Griechenland gesunken.

104 Personen konnten bis zum Mittag des Unglückstages geborgen werden, berichtete die Tagesschau. Inzwischen gilt es als aussichtslos weitere Überlebende zu finden oder das Wrack bergen zu können.

Aus der eigenen Zuständigkeit drängen: Pushback soll Kentern verursacht haben

Nach diesem Vorfall sind Vorwürfe gegen die griechische Küstenwache laut geworden, sie habe das Kentern durch sogenannte Pushbacks verursacht haben soll. Die griechischen Küstenwache weist diese Vorwürfe zurück. Überlebende berichten allerdings, dass es dreimal solch einen Pushback gegeben haben soll.

"Ich habe vor einiger Zeit mit drei Migranten gesprochen, die haben viele schreckliche Erlebnisse gehabt unterwegs, die sind geschlagen und eingekerkert worden und haben es dann geschafft, mit dem Flüchtlingsboot nach Italien zu kommen."
Jörg Seisselberg, Korrespondent in Italien

Für die Schlepper handelt es sich dabei um ein lukratives Geschäft. Die kriminellen Machenschaften sind wie in einem Unternehmen organisiert, sagt unser Korrespondent. Die Schlepper arbeiten eng mit kriminellen Organisationen aus anderen Ländern zusammen und übergeben die Geflüchteten an andere Schlepper über Ländergrenzen hinweg. Um diese illegalen Geschäfte zu unterbinden, wäre eine engere Zusammenarbeit zwischen den Staaten notwendig, sagt Jörg Seisselberg.

"Das ist ein super einträgliches Geschäft für die Leute – in diesem Fall in Ägypten, in Tunesien und in Libyen – die Millionen damit verdienen."
Jörg Seisselberg, Korrespondent in Italien

Ein engagiertes Eingreifen an den Häfen könnte beispielsweise die Abfahrt solcher Flüchtlingsboote verhindern. Die Schlepper seien auf Mundpropaganda angewiesen. Wenn ihre illegalen Schleppaktionen scheitern, könnte ihnen das ihre kriminelle Tätigkeit erschweren. Denn gescheiterte Schleppaktionen könnten das Vertrauen erschüttern, das Menschen in die Schlepper setzen.

Aber auch eine wirtschaftliche Unterstützung der Länder, aus denen die Menschen flüchten wollen, hält unser Korrespondent für eine wichtige Maßnahme, damit weniger Menschen sich auf Flüchtlingsboote begeben.

"Es läuft über Mundpropaganda und die Leute tragen dann viele tausend Euro zu ihm [Anm.: einem Schlepper], um einen Platz auf seinem Boot zu bekommen."
Jörg Seisselberg, Korrespondent in Italien

Die Geflüchteten nehmen die Strapazen einer Flucht in Kauf mit der Erwartung auf ein besseres Leben. Die drei Migranten aus Nigeria, mit denen unser Korrespondent gesprochen hat, haben nach ein paar Jahren in Italien allerdings beschlossen, einen mehrere tausend Kilometer weiten Rückweg in ihr Heimatland anzutreten, weil sich ihre ursprüngliche Hoffnung nicht erfüllt habe.

Shownotes
Mittelmeer
Schlepper: Wenn Geflüchtete Hoffnung in kriminelle Strukturen setzen
vom 19. Juni 2023
Moderation: 
Christoph Sterz
Gesprächspartner: 
Jörg Seisselberg, Korrespondent in Italien