Weihnachten, Fest der Liebe, und plötzlich haben sich alle lieb. Ist es der richtige Weg, sich zum Fest um schwierige Menschen herumzuwinden?
Einfach mal in Ruhe Zeit mit der Familie verbringen. Für viele ist das die große Überschrift zu Weihnachten. Was aber, wenn sich alle nur um das eine, schwierige Familienmitglied herumarbeiten: die grantige Oma, den selbstherrlichen Schwager oder die überambitionierte Mama.
Qual oder die Wahl, nicht zu gehen
Strategien für den Umgang mit der ganzen Ladung Familie sind auf jeden Fall angebracht. "Die Familienbeziehung zu Weihnachten ist eine unentrinnbare", sagt Philosoph Matthias Burchardt. Hier werden wir uns bewusst: Die Familie haben wir uns nicht ausgesucht, in genau diese Familie mit all ihren Absonderlichkeiten sind wir hineingeboren.
Für viele steht an dieser Stelle die Frage im Raum, überhaupt hinzugehen. Welches Drama ist größer: Gemeinsam feiern oder fern bleiben?
"Ich rate allen Menschen, die über Kindheitsjahre bis in die Jugend von Angehörigen traumatisiert wurden und darunter leiden, tatsächlich darauf zu verzichten und sich einfach seelisch zu schützen."
Das sind die wirklich extremen Fälle, bei denen wir befürchten, ernsthafte seelische Schäden zu erleiden. Dann gibt es noch die Fälle, die eher unter "nervig" fallen. Das ist die grantige Oma, die an allem etwas auszusetzen hat, oder der arrogante Schwager, der mit zynischen Bemerkungen um sich schießt. Keine ernste Gefahr - aber auch schwer zu ertragen.
Neue Kommunikationswege testen
Philosoph Matthias Burchardt empfiehlt hier als beste Reaktion Humor, damit sei viel zu lösen. Auch hier und da eine Spitze zu verteilen, wenn nur gemosert wird, sollte möglich sein. Sein Tipp: Diese Schwierigkeiten ansprechen, allerdings zugewandt und ohne Dramatik. Hier ein Beispiel für einen möglichen Sprachbaustein: "Wir haben uns solange nicht gesehen. Du willst doch nicht ernsthaft behaupten, dass alles, was wir über dich erfahren können, deine Unzufriedenheit mit X und Y ist. Was hast du denn gemacht?"
Humor funktioniere hier als Bremsflüssigkeit, sie helfe zum einen sich selbst nicht zu sehr in die Antipathie hineinzusteigern, so der Philosoph. Zum anderen gibt sie dem anderen auch die Chance, in einen neuen Kommunikationsrahmen, eine neue Stimmung einzutauchen. Um damit ein Stück weit die Schwere der alten Familienrollen abzustreifen. So könnten wir uns vielleicht auch an Themen herantasten, an die wir uns sonst nicht herantrauen, sagt Matthias Burchardt.
Oder bin ich der Arsch?
Voraussetzung dafür ist alles zu tun, um locker in den Tag zu starten und nicht direkt in Kampfhaltung durch die Tür zu poltern. Dazu gehöre dann auch, so Matthias Burchardt, der nervigen Person zumindest eine Chance zu geben: "Dann kann man immer noch sehen, ob sie es nicht besser verdient hat".
Als kleines Mantra für solche Auseinandersetzungen empfiehlt der Philosoph, nicht direkt in Vergangenheit zurückzufallen, sondern die Möglichkeit zu nutzen, in eine neue Beziehungsdimension einzutreten.
"Es ist für alle ein großer Stress. Entscheidend ist aber, dass es nicht in ein psychisches Massaker ausartet, sondern die Gelegenheit für eine Feier bieten sollte."
Weihnachten mit der Familie bleibt aber tatsächlich eine emotionale Aufgabe: Erwartungen überall. Perfektes Timing, Essen loben, passende Geschenke parat haben und selbst euphorisch auf Handtücher reagieren. "Der soziale Druck ist gewaltig. Aber den sozialen Druck machen wir uns letztendlich selbst. Und wir können ihn so auch selbst wieder aus der Welt schaffen", so Matthias Burchardt.
Und das ist dann vielleicht noch ein wichtiger Gedankenanstoß. Möglich ist nämlich auch, dass ich selbst die Nervensäge bin.
"Vielleicht ist unser Empfinden auch unzuträglich, bin ich zu hart in meinem Urteil. Vielleicht wäre ein bisschen Milde meinerseits auch ganz hilfreich?"