Bin ich krank, Google? Eine Suchmaschine allein kann das nicht beantworten. Kai kennt Vor- und Nachteile des Suchens im Netz und der Psychologe Timo Slotta weiß, wann die Suche selbst zur Krankheit wird.
Krankheitsverläufe sind individuell und in der Regel auch im Zusammenhang zu betrachten. Die Suche nach den eigenen Symptomen im Netz kann im besten Fall auf das Gespräch mit Medizinerinnen und Medizinern vorbereiten, im schlechtesten Fall führt sie zur schlimmsten möglichen Selbstdiagnose.
Kai hat beide Erfahrungen gemacht, er betreibt die Suche nach medizinischen Erklärungen möglichst mit Humor, einfach um seine Neugier zu stillen. Idealerweise gehe er dann mit einer Art Vorbildung zur Ärztin beziehungsweise zum Arzt, sagt er. Zuletzt hat er sich über Omikron-Symptome informiert, einfach aus Mangel an tatsächlichen Symptomen, wie er scherzhaft sagt. Er meint: "Jetzt akut hatte ich leider keine große Krankheit zu bieten, die es wert gewesen ist, viel zu googeln."
"Durch das Googeln kann man gezielt Nachfragen stellen, die qualifizierte Ärztinnen oder Ärzte beantworten können."
Ihm ist aufgefallen, dass die Suche zu Krankheitssymptomen und Gesundheitsproblemen im Englischen meist zu drastischeren Ergebnissen führt. "Da ist dann wirklich sofort die Sensationalisierung des Ganzen relativ hoch angepriesen. Sofort steht da: Diese tödliche Krankheit könnte dahinterstecken", sagt Kai.
Als er tatsächlich einmal geschwollene Lymphknoten hatte, ist er zwar damit zu seiner Ärztin gegangen, konnte das Googeln aber nicht lassen. Das Ergebnis seiner Selbstdiagnose war dann, nachdem er Syphilis ausgeschlossen hatte, Pfeiffersches Drüsenfieber. Das war dann auch mit einer Verzögerung das ärztliche Ergebnis.
Krankheitsängste als Störung
Grund für die Verzögerung war, dass die Ärztin seine Proben erst auf schwerere Krankheiten hatte testen lassen. Wegen der einseitigen Schwellung der Lymphknoten in Kais Gesicht und am Hals, hatte sie sichergehen wollen. Kai sagt: "Sie hat sich eher Mühe gegeben, das Seltene zu finden als das Offensichtliche."
Die Suche nach Erklärungen für tatsächliche oder nur gefühlte Krankheitssymptome kann zu einer beeinträchtigenden Belastung werden und letztlich selbst Symptom einer psychischen Störung sein. Mit solchen Patientinnen und Patienten arbeitet Timo Slotta. Er sagt: "Wir machen kognitive Verhaltenstherapie. Das ist das Mittel der Wahl, das man bei Krankheitsängsten einsetzen sollte."
Körperwahrnehmung und Erwartungen
Über seine Patientinnen und Patienten sagt der Psychologe: "Die müssen eigentlich schon ganz schön viel durchmachen, um überhaupt den Schritt zu uns zu gehen." Köperwahrnehmung beschreibt er grundsätzlich als eine untrennbare Mischung vom Empfinden eines Signals – eines Piksens beispielsweise – und von gedachten Erwartungen, die diese Wahrnehmung dann formen. Wir hätten oft noch ein veraltetes Bild von Körperwahrnehmung und dächten, sie gehe nur in eine Richtung.
"Es kann definitiv so sein, dass ich sogar eine illusorische Wahrnehmung habe, also etwas wahrnehme, für das es gar keine organische Ursache gibt."
Timo ist Mitarbeiter des Lehrstuhls für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Köln. Er unterscheidet beim Googeln von Symptomen zwei Motivgruppen: Die Suche nach Informationen, um eine Entscheidung zu treffen einerseits, die Suche wegen eines Unsicherheitsgefühls andererseits. Wer im Netz nach Symptome suche und auf Erleichterung hoffe, solle sich fragen, ob sich dieses Gefühl der Unsicherheit nicht aushalten lasse.
"Störungswertig wird es dann, wenn das wirklich für mich nicht mehr nur nervig ist, sondern eine richtige Belastung ist oder mich vielleicht auch beeinträchtigt."
Hörenswert:
Psychologin über Angst vor Ansteckung: "Angst zieht unsere Aufmerksamkeit wie ein Magnet an"
Psychische Gesundheit: Azubis und Studierende: Pandemie belastet noch immer
Hypochonder im Netz: Was, wenn Dr. Google recht hat?
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