Weltweit gibt es 36 Blutgruppensysteme, die jeder von uns im Blut trägt. Allerdings verschieden ausgeprägt. Ein Problem für Geflüchtete und Migranten, die jetzt in Deutschland leben, deren Stammzelleneigenschaften hier aber eher selten sind. Erkranken sie an Leukämie, ist es schwierig, passende Spender zu finden. Das will das Projekt BluStar.NRW ändern. Wie genau, hat Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Ann-Kristin Pott recherchiert – in der Essener Uniklinik.
Vor dem Behandlungszimmer der Ambulanz für Hämatologie und Knochenmarktransplantation warten Patienten, etliche mit Mundschutz. Es ist viel los. Die 21-jährige Lale ist jetzt an der Reihe und wird untersucht von Dr. Lambros Kordelas. Lale wird von ihrer Mutter begleitet und von einem Bekannten, der alles übersetzt, denn die Familie ist erst vor neun Monaten aus Aserbaidschan nach Deutschland gekommen. Weil Lale eine seltene Bluterkrankung hat, wird sie seit drei Monaten in der Uniklinik Essen behandelt.
"Ich wurde als Kind oft krank und ich war immer sehr schnell erschöpft, litt unter Antriebsschwäche. Dann kam ich ins Krankenhaus und da wurde das dann festgestellt."
Die Diagnose: Beta-Thalassämie-Major – eine genetisch bedingte Krankheit, bei der die Produktion der roten Blutkörperchen gestört ist. Dadurch verzögert sich die Entwicklung des gesamten Körpers, Milz und Leber vergrößern sich, und die Betroffenen sind häufiger krank. Die Krankheit kann oft nur durch eine Blutstammzelltransplantation geheilt werden. Dabei wird das Blutimmunsystem der Patientin durch ein möglichst gut passendes ersetzt. Am besten eignen sich Geschwister als Spender, sagt Dr. Kordelas.
"Wenn ein Patient entweder keine Geschwister hat oder die Geschwister nicht passen, muss man einen unverwandten Spender nehmen. Für den Erfolg der Transplantation ist es ganz entscheidend, dass bestimmte Gewebeverträglichkeitsmerkmale zusammenpassen."
Zehn Merkmale werden bei Patienten und potenziellen Spendern verglichen. Je mehr zusammenpassen, desto besser. Die Merkmale sind genetisch bedingt und unterscheiden sich zwischen Menschen aus Mitteleuropa, Afrika, Asien oder dem Nahen Osten. Lale hatte Glück – für sie wurde ein passender Spender gefunden und die Transplantation zeigt schon Wirkung.
"Jetzt geht es mir besser. Ich fühle ich mich nicht mehr so schlapp. Jetzt warten wir, dass die Werte sich bessern."
Seit der Blutstammzelltransplantation muss Lale zwar regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen und nimmt jeden Tag 25 Tabletten, aber die Blutwerte haben sich schon verbessert und sind fast normal. Trotzdem muss sie noch ein Jahr zur Kontrolle und die Werte überprüfen lassen. Ihr Arzt, Dr. Kordelas, hat viele ähnlich Fälle, wie den von Lale.
"Wir sehen in den letzten drei Jahren, dass wir vermehrt Patienten mit Migrationshintergrund und neuen Bluterkrankungen haben."
Das Problem: Menschen aus anderen Regionen haben auch andere Blut- und Stammzelleigenschaften. Weltweit gibt es 36 Blutgruppensysteme, die jeder von uns im Blut trägt. Allerdings verschieden ausgeprägt. Diese Blutgruppensysteme heißen AB0, Kell, Rhesus, Lewis, Duffy oder Diego. Das heißt: Bei Menschen aus unterschiedlichen Regionen der Welt, variieren die Merkmale der roten Blutkörperchen. Dadurch sind Menschen in manchen Regionen besser vor bestimmten Krankheiten geschützt, als andere.
Bei Menschen mit der Blutgruppe Duffy-0 kann zum Beispiel das Malariavirus nicht andocken. Deshalb bekommen diese Menschen auch seltener Malaria. Aber wenn sie eine Bluttransfusion brauchen, kann das schwierig werden. Denn für sie gibt es in Deutschland wenige passende Spender.
Allerdings sind in den vergangenen Jahren mehr Menschen aus Afrika oder dem Nahen Osten nach Deutschland gekommen und deshalb werden inzwischen häufig Bluttransfusionen und Stammzellenspenden von Menschen mit solchen Blutmerkmalen gebraucht. Um Betroffenen zu helfen, hat Dr. Kordelas mit einem Kollegen das Projekt BluStar.NRW entwickelt. Dabei werden Menschen mit Migrationshintergrund aufgerufen, Blut- und Stammzellen zu spenden, um die medizinische Versorgung zu verbessern.