Sinti und Roma treffen oft auf Vorurteile und Diskriminierung – auch an den Hochschulen. Viele junge Sinti und Roma verschweigen ihre Wurzeln daher. Ein neuer Studierendenverband möchte das ändern und sie unterstützen.
Wenn Menschen zum ersten Mal aufeinandertreffen, geht es beim Kennenlernen oft um Fragen wie: Woher kommst du? Wer bist du? Als Radoslav Ganev Erstsemester an seiner Uni war, hat er sich nicht getraut, ganz offen zu antworten.
Radoslav ist in Bulgarien geboren und in Deutschland aufgewachsen. Dass er Rom ist, hat er eine lange Zeit verschwiegen – aus Angst vor Ablehnung und Diskriminierung.
Schweigen über die Herkunft
Vielen Sinti und Roma geht es ähnlich. Wegen der Vorurteile anderer schweigen sie über ihre Herkunft, vor allem im akademischen Umfeld, sagt Radoslav. Genau hier setzt die Arbeit des Studierendenverbandes der Sinti und Roma in Deutschland (SVSRD) an, den Radoslav Ganev im Dezember 2020 mitgegründet hat.
"Ich gehe stark davon aus, dass sehr viele Menschen an Universitäten nicht über ihren Background sprechen wollen, weil sie eben auch die gleichen Befürchtungen teilen, die ich auch hatte."
Mit anderen nicht über seine ethnischen Wurzeln zu sprechen, hat Radoslav schon als Kind gelernt, erzählt er. Weil seine Eltern häufig selbst Erfahrungen mit Diskriminierung und Benachteiligung gemacht haben, wollten sie ihren Sohn schützen und haben ihm dazu geraten, bei Fragen nach seiner Herkunft nicht alles zu verraten.
Als sich Radoslav später damit beschäftigt hat, wer er ist und welche Identität er hat, war für ihn klar, dass er sich als Rom nicht mehr verstecken möchte. Vielen Sinti und Roma geht es ähnlich, sagt er, oft zeigt sich das als innerer Konflikt: Auf der einen Seite ist die Angst auf Stereotype zu treffen und auf der anderen Seite das schlechte Gewissen, sich für seine Wurzeln zu schämen.
"Dann habe ich irgendwann den Entschluss für mich getroffen: Ich bin alles. Ich bin Bulgare. Ich bin Deutscher. Ich bin ein Moselaner. Und ich bin eben auch ein bulgarischer Rom."
Mit dem Studierendenverband möchten sie für andere studierende Sinti und Roma da sein, sie in ihrem Studium unterstützen als auch bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Identität. Für sie soll der Verband ein Netzwerk sein, in dem sie sich mit anderen austauschen können.
Für ein Bild, das Vielfalt zeigt
Gleichzeitig geht es auch darum, an der Repräsentation der Sinti und Roma zu arbeiten, erklärt Radoslav. Oft würde das vorurteilsbehaftete Bild der Community vor allem die der Opfer sein: "Wenn man sich – auch wissenschaftlich – mit dem Themengebiet auseinandersetzt, dann stößt man sehr häufig auf Studien, auf Darstellungen, die sich sehr oft auf sozio-ökonomisch benachteiligte Situationen ausgerichtet sind." Die Diversität der Sinti und Roma gehe dabei verloren.
"Wir wollen insgesamt auch andere Bilder schaffen, Menschen dazu ermuntern, zur ethnischen und kulturellen Herkunft zu stehen, um eben auch andere Bilder zu schaffen."
Deshalb möchte der Studierendenverband selbst wissenschaftlich forschen und Studien veröffentlichen, damit sich das Bild über Sinti und Roma in Zukunft so wandelt, dass kein Studi mehr über ihre oder seine Herkunft aus Angst schweigen muss.