Wenn eine obdachlose Person nach Geld fragt, sind wir oft zwiegespalten: Kommt das dem Menschen wirklich zu Gute oder finanziert man so eine Sucht mit? Streetworker Manuel Eigmann gibt Ratschläge, wie man sich bewusster verhalten kann.

Es ist uns wohl allen schon mal passiert: Eine obdachlose Person fragt in der Bahn oder in der Fußgängerzone nach Kleingeld und man guckt lieber auf den Boden, statt auf den Menschen zu reagieren.

Menschen auf der Straße nicht ignorieren

"Das empfinden die obdachlosen Menschen als total unhöflich", beschreibt Manuel Eigmann. Er ist Straßensozialarbeiter im Berliner Verein Gangway e.V.

Manche Menschen auf der Straße könnten zwar verstehen, "dass nicht-obdachlose Menschen nicht permanent mit Armut konfrontiert werden möchten". Trotzdem bleibt es eine respektlose Geste, die obdachlose Menschen täglich erfahren, so Manuel.

"Das wäre genauso unhöflich wie wenn ich bei einer anderen Person einfach weggucke, wenn sie mir entgegenkommt."
Manuel Eigmann über das Ignorieren von obdachlosen Personen

Die Reaktionen der Menschen auf Obdachlose ist während der Corona-Pandemie extremer geworden, beobachtet Manuel. Eins ist klar: Menschen, die auf der Straße leben, werden jetzt stärker im öffentlichen Raum wahrgenommen.

Schließlich können die wohnungslosen Menschen nicht einfach zu Hause bleiben, sodass die Proportionen sich ändern. "Je weniger nicht-obdachlose Menschen auf der Straße sind, umso häufiger werden die Obdachlosen natürlich wahrgenommen", beschreibt Manuel.

"Die Obdachlosen sind in der Regel weiter auf der Straße und werden gehäuft wahrgenommen."
Manuel Eigmann, Straßensozialarbeiter

Manche machen zwar einen noch größeren Bogen um obdachlose Menschen, so der Streetworker. "Aber es gibt auch die genau gegenteiligen Erlebnisse von Obdachlosen: Dass die Spendenbereitschaft deutlich größer geworden ist."

Das heißt: Manche geben jetzt nicht nur 50 Cent oder einen Euro, sondern auch mal einen Fünf- oder Zehn-Euro-Schein. In seiner Aufgabe als Streetworker merkt Manuel auch, dass er seit Corona deutlich mehr Anrufe bekommt, von Menschen, die fragen, wie man helfen kann.

Manuels Empfehlungen für Begegnungen mit obdachlosen Menschen

  • Auf gar keinen Fall sollte man gegen den Willen der Person handeln. Stattdessen fragen, welche Bedürfnisse sie hat.
  • Wenn es darum geht, ob man lieber Essen oder Geld geben sollte, rät Manuel, auf die Bitte der Person zu hören: "Die Person sollte selber entscheiden, was sie möchte. Und wenn mir die Person sagt, sie möchte lieber Geld, würde ich sagen: Lieber Geld geben. Weil ich kann ja nicht für eine andere Person entscheiden, was für sie wichtig ist."
  • Wenn man kein Bargeld dabei hat, kann man der Person trotzdem etwas zu Essen anbieten. Wichtig ist dabei, die Antwort des Gegenübers zu respektieren.
  • Wenn man den Eindruck hat, dass die Person medizinische Hilfe braucht, sollte man "immer fragen, ob die Person das möchte", betont Manuel. Wenn der Mensch aber nicht mehr ansprechbar ist, ist es wichtig, zu überlegen, ob es sich um einen Notfall handelt oder zu einem Notfall werden könnte – ob es zum Beispiel sehr kalt ist. Wenn ja, ist es sehr wichtig, einen Krankenwagen zu rufen. Es geht dabei zum einen um das Leben der Person, zum anderen macht man sich strafbar, wenn man Hilfeleistung unterlässt.

Meldet euch!

Ihr könnt das Team von Ab 21 über WhatsApp erreichen.

Uns interessiert: Was beschäftigt euch? Habt ihr ein Thema, über das wir unbedingt in der Sendung und im Podcast sprechen sollen?

Schickt uns eine Sprachnachricht oder schreibt uns per 0160-91360852 oder an ab21.dlfnova@deutschlandradio.de.

Wichtig:
Wenn ihr diese Nummer speichert und uns eine Nachricht schickt, akzeptiert ihr unsere Regeln zum Datenschutz und bei WhatsApp die Datenschutzrichtlinien von WhatsApp.

Shownotes
Tipps vom Sozialarbeiter
So begegnet man obdachlosen Menschen auf Augenhöhe
vom 15. Oktober 2020
Moderatorin: 
Teresa Nehm
Gesprächspartner: 
Manuel Eigmann, Streetworker und Sozialarbeiter bei Gangway e.V.