Warum hat er, was ich nicht habe? Warum kann sie das und ich nicht? Wir schämen uns oft, wenn wir anderen etwas neiden. Aber manchmal können wir unseren Neid auch positiv nutzen.

Neid ist ein ganz natürliches Gefühl – wir alle haben es, sagt Katja Corcoran. Sie ist Sozialpsychologin und Neidforscherin an der Uni Graz. Neid entsteht dann, wenn wir uns mit anderen Personen vergleichen und merken: Die oder der hat etwas, was ich nicht habe, aber haben will. Das tut im ersten Moment oft weh, nicht selten schämen wir uns für diese Gefühle.

"Wir schämen uns weil: Neid haftet die Vorstellung von "Missgönnen" an – die Vorstellung von Wegnehmen und destruktiv."
Katja Corcoran, Sozialpsychologin und Neidforscherin an der Uni Graz

Neid ist nicht gleich Neid

Neidisch sein und sich schämen sind oft miteinander verbunden, weil Neid sozial nicht erwünscht ist – er kann für andere unangenehm sein. In schlimmen und extremen Fällen kann es passieren, dass neidende Menschen den Beneideten schaden möchten. Katja Corcornan spricht dann von einem destruktiven Neid.

"Bei Neid ist es so, dass mir die Diskrepanz auffällt, dass ich es nicht habe. Aber dann kann ich meine Ziele und meine Handlungen darauf ausrichten, es auch zu bekommen."
Katja Corcoran, Sozialpsychologin und Neidforscherin an der Uni Graz

Aber es gibt auch einen positiven Aspekt, wenn wir neidisch sind: Unterschiede wahrzunehmen, tut uns weh, aber wenn uns dieser Unterschied bewusst wird, kann es auch passieren, dass wir ihn überwinden und selbst erreichen wollen, was die beneidete Person erreicht hat. In solchen Fällen spüren wir auch eher Motivation und Bewunderung statt Scham. 

Warum uns Neid helfen kann, wenn wir ihn richtig nutzen

Ob wir positiven Neid empfinden können, hängt davon ab, ob wir glauben, dass es auch wirklich realistisch und möglich für uns ist, unser Ziel zu erreichen, sagt Katja Corcoran. Das können wir schaffen, indem wir uns auf Fragen fokussieren wie: Welche Wege und Möglichkeiten habe ich, das auch zu schaffen?

"Der Neid kann uns da auch einen Hinweis geben: Aha, da ist etwas, das ich vielleicht auch gerne haben möchte. Vielleicht sollte ich mich auch mehr darauf ausrichten, das zu erreichen."
Katja Corcoran, Sozialpsychologin und Neidforscherin an der Uni Graz

Außerdem gibt uns Neid eine Information darüber, was wir uns unserem Leben wirklich wichtig finden und was für uns interessant ist. Denn oft kann es sein, dass wir das gar nicht so genau wissen und vielleicht überrascht sind, wenn wir merken, wo wir genau Prioritäten setzen. 

Für Katja Corcoran ist der Neid dann eine Art Kompass, nach dem wir uns im besten Fall ausrichten können: Wo stecke ich Motivation rein? In welche Richtung will ich gehen? So rennen wir auch nicht Dingen hinterher, die uns eigentlich gar nicht wichtig sind. Wenn wir uns diese Funktion des Neids vor Augen führen, können wir eventuell anders mit diesem Gefühl umgehen.

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Shownotes
Sozialpsychologie
Warum uns Neid manchmal helfen kann
vom 22. November 2018
Moderator: 
Paulus Müller
Gesprächspartnerin: 
Katja Corcoran, Sozialpsychologin und Neidforscherin an der Uni Graz