"Wer nicht hören will, muss fühlen!" Habt ihr euch solche Sprüche früher auch anhören müssen? Zur Gewalt gegen Kinder und Jugendliche gehört auch sprachliche Gewalt. Wie kann man die verhindern?

Das UN-Kinderhilfswerk Unicef will darauf aufmerksam machen, welche Kraft sprachliche Gewalt gegen Kinder und Jugendliche hat. Es geht weniger um direkte physische Gewalt, sondern um die Androhung von Gewalt. Um Gewalt mit Worten. Selbst wenn manche Sprüche erstmal gar nicht so ernst klingen mögen:

  • "Ich zähle jetzt bis 3 – und dann …"
  • "Wenn du jetzt nicht aufisst, dann …"
  • "Solange du die Füße unter meinen Tisch stellst, wird gemacht, was ich sage!"

Die Grenze zwischen einem bloßen Spruch und Gewalt mit Worten ist schwierig zu ziehen, sagt Daniel Debray, Pädagoge und Ansprechpartner für das Thema gewaltfreie Erziehung bei Unicef. Entscheidend sei, wie regelmäßig ein solches Mittel eingesetzt wird. Eine Grenze sei dann erreicht, wenn in einer Tour die Bedürfnisse eines Kindes missachtet und marginalisiert werden. Wenn heruntergespielt wird, dass Kinder eben auch ein Mitspracherecht haben.

"Ein Spruch per se ist natürlich nicht automatisch Gewalt. Ich finde immer, die Grenze ist da, wenn es regelmäßig wird."
Daniel Debray, Unicef

Unsere Sprache sei ein Spiegel unserer Gesellschaft. Zum Beispiel der Spruch: "Ein Klaps auf den Po hat noch niemandem geschadet." Die Harmlosigkeit verliert der Spruch, wenn man ihn täglich anwendet.

Die Spätfolgen von Gewalt mit Worten

Die Folgen auch von nicht physischer Gewalt können später für Erwachsene drastisch sein und die Entwicklung stark beeinträchtigen, sagt Daniel Debray.

"Es ist tatsächlich gar nicht so relevant, ob es da um körperliche Misshandlung geht oder um psychische Gewalt oder Vernachlässigung. Die Areale, die da im Gehirn betroffen sind, interessiert das nicht."
Daniel Debray, Unicef

Von der Gewalt betroffen seien bestimmte Gehirnareale. Gesunde Beziehungen zu führen, werde zum Beispiel schwerer. Außerdem könne regelmäßiger toxischer Stress in der Kindheit die Konzentrationsfähigkeit und das Lernvermögen stark beeinträchtigen – was sich wiederum auf die schulische Entwicklung und damit die Zukunftschancen auswirkt.

Beziehungsfähigkeit, Konzentration, Lernvermögen

Neben diesen Folgen für das jeweilige Kind wird das Ganze natürlich auch gesamtgesellschaftlich zum Thema, erklärt der Pädagoge. Denn natürlich steigen auf diese Weise auch die Aufwendungen für die sozialen Dienste und die Gesundheitsversorgung. Insgesamt gingen diese Kosten, die rund um das Thema "Folgen von Gewalt in der Kindheit" entstehen, in die Milliardenhöhe.

Bei den Sprüchen könne man noch mal gewichten: in direkte Androhung von Gewalt oder in die Androhung von Vernachlässigung: "Wenn du jetzt nicht kommst, dann gehe ich ohne dich." Davon abgesehen, dass das allermeistens nicht passiert, sei das schon eine krasse Androhung, den Kontakt abzubrechen, findet Daniel Debray.

Reflektieren und Überprüfen der eigenen Sprache

Wichtig sei es, immer zu hinterfragen, was man gerade eigentlich wirklich sagen – und was man mit dem Spruch erreichen wolle. Es geht nämlich durchaus auch ohne Androhung, etwa so: "Ich hab Stress, wir sind sehr spät und ich muss wirklich dringend los – und deswegen kommst du jetzt bitte."

Mit Sprüchen, die Gewalt androhen, mache man es sich oft ziemlich leicht, findet Daniel Debray und nimmt sich selbst – Vater von zwei Grundschulkindern – dabei nicht aus. Seine Empfehlung: Möglichst Klartext mit sich selber sprechen. Was ist gerade das Thema in der Situation? Das betreffe nebenbei nicht nur die Erziehung, sondern generell das Thema Sprache und Miteinander. Austausch sei ganz wichtig – mit Freunden, mit der Familie, mit Menschen, die einem nahestehen.

Shownotes
Sprache
So kommunizieren wir gewaltfrei mit Kindern
vom 30. April 2023
Moderation: 
Basti Schmitt
Gesprächspartner: 
Daniel Debray, Pädagoge und Ansprechpartner für das Thema gewaltfreie Erziehung bei Unicef