Für vier Wochen zur Probe wohnen: In einer Studie wurde mithilfe von 60 Probanden untersucht, was einer Stadt wie Görlitz noch fehlt, damit Kreative sich vorstellen können, dort zu leben und zu arbeiten.

Wer in einer kleineren oder mittelgroßen Stadt aufwächst, den zieht es zum Studium oder für den ersten Job eher in eine Großstadt wie Hamburg, Berlin, Köln oder München. Mit einer Studie hat der Stadt- und Regionalentwickler Robert Knippschild untersucht, was genau die Attraktivität einer Stadt wie Görlitz ausmacht, in der rund 56.000 Einwohner leben.

"Das Schöne war, es gab da einen Betreuer, der sozusagen mein Ansprechpartner war. Und wenn ich jetzt irgendetwas angucken wollte, dann ist er damit mehr hingegangen."
Jan Schilling hat für vier Wochen "zur Probe" in Görlitz gewohnt.

Für seine Untersuchung hat Robert Knippschild in Kooperation mit der Stadt Görlitz 60 Personen dazu eingeladen, vier Wochen in Görlitz zu wohnen.

Ein Ergebnis der Studie war, dass die Größe der Stadt denjenigen, die dort zur Probe gewohnt haben, besonders gut gefallen hat. Die Versuchsteilnehmer gaben an, dass sie die Stadt als gemütlicher und ruhiger empfunden haben als eine größere Stadt wie Hamburg oder Berlin.

Die Wege, die die Probanden zurücklegen mussten, waren insgesamt kürzer als in einer Großstadt. Gleichzeitig wussten die Studienteilnehmenden zu schätzen, dass eine stabile Infrastruktur und ein städtisches Lebensgefühl vorhanden sind.

"Wir gehen davon aus, dass die aktuelle Pandemielage – mit dem massiven Vorstoß von Homeoffice – möglicherweise auch eine große Chance für die etwas abgelegenen und kleineren Städte in Deutschland ist."
Robert Knippschild, Leibniz-Institut für ökologische Raumgestaltung

Die eine oder andere falsche Erwartung wurde aber auch enttäuscht. Zum Teil gibt es Leerstände und günstigen Wohnraum in Görlitz. Manche Studienteilnehmende bemängelten aber, dass der Zugang zum Wohnungsmarkt nicht so einfach sei, wie sie es vorab erwartet hatten, vor allem, wenn es um den Kauf von Immobilien geht.

Besser sanierter und besser ausgestatteter Wohnraum gewünscht

Kritisiert wurde von Studienteilnehmern auch, dass sie besser sanierten und besser ausgestatteten Wohnraum in einer Stadt wie Görlitz erwartet hatten, die allgemeinhin als eine schöne Stadt gilt. Teilnehmende gaben außerdem an, dass zwar ein Umfeld für Kreativschaffende vorhanden sei, dieses aber besser vernetzt und vermarktet werden könnte.

Ein weiterer Punkt, den die Teilnehmenden an Görlitz kritisierten: Die Angebote von Einzelhandel und Gastronomie seien stärker am Tourismus orientiert als an den dort lebenden Menschen.

Dem Studienleiter Robert Knippschild sind fünf Haushalte bekannt, die sich im Anschluss an seine Studie tatsächlich dazu entschieden haben, nach Görlitz umzuziehen. Da die Meldung des Umzugs freiwillig war, könnte es aber sein, dass sich noch mehr Studienteilnehmer in Görlitz niedergelassen haben.

Shownotes
Stadtentwicklung
Kleinere Städte für Kreative attraktiver machen
vom 16. Februar 2021
Moderatorin: 
Tina Howard
Gesprächspartner: 
Robert Knippschild, Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung