Immer ein To-do im Kopf, nie abschalten können und ständig ein schlechtes Gewissen: Jolie hat das auf Dauer geschadet, nun arbeitet sie aktiv dagegen an. Wie viel wir uns abverlangen, ist meist kulturell und biografisch erlernt, sagen Experten.
Früher war Jolie fest angestellt. Sie arbeitet in der Werbebranche, die dafür bekannt ist, dass viele in diesem Berufszweig an ihre Grenzen und auch darüber hinausgehen. Über sich selbst sagt Jolie, wenn sie zurückblickt, dass sie wie eine Maschine funktioniert habe.
Um ihre eigenen Bedürfnisse wollte und konnte sie sich gar nicht kümmern. Sie hat viel geleistet, aber sich am Ende eines Tages leer gefühlt. Sie hat Symptome entwickelt, die sie für eine Magen-Darm-Erkrankung hielt. Ihre Ärztin hat ihr allerdings ein Burn-out attestiert. Das hat Jolie aber erst Monate später mitbekommen, als sie den Bericht über ihren Befund dann gelesen hat.
"Das ist wirklich so stark in meinem Unterbewusstsein verankert gewesen. Ich habe diesen Glaubenssatz mitbekommen: 'Du bist nur gut genug, wenn du etwas leistest' – und natürlich auch erst dann liebenswert."
Jolie hat an sich gearbeitet und aus der Überlastung, die sie sich selbst zugemutet hat, gelernt. Und sie hat manches geändert. Zum einen arbeitet sie jetzt freiberuflich, um ihre Arbeitszeit besser an ihre Bedürfnisse anpassen zu können.
Zum anderen ist sie aufmerksamer sich selbst gegenüber geworden. Journaling hilft ihr dabei zu erkennen, wann sie sich zu viel zumutet. Und auch dabei zu erkennen, worin die Ursachen für ihr Verhalten liegen.
Neue Strategien gegen Productivity Guilt
Jolie geht auch inzwischen anders damit um, wenn sie merkt, dass sie erschöpft ist. Und wenn sie dann den Impuls hat, trotzdem wieder über die eigenen Grenzen zu gehen, argumentiert sie in ihrem Kopf dagegen an. Sie gibt sich selbst Argumente an die Hand, wieso es falsch wäre, weiterzuarbeiten und sich keine Pause zu gönnen.
"Das Gefühl, eben nichts geschafft zu haben und dann kommen noch ein To-do und noch ein To-do. Und dann sitze ich da und denkt mir so nee, nee, du hast jetzt alles abgearbeitet."
Volker Busch ist Neurowissenschaftler an der Klinik für Psychiatrie der Uni Regensburg. Die überzogenen Erwartungen, die wir an uns selbst stellen, möglichst viel zu leisten, sind kulturell erlernt, sagt der Neurowissenschaftler. Sie sind Teil der protestantischen Arbeitsethik, die in der christlichen Religion verankert ist, sagt er.
Zum anderen gehört es zum Menschsein dazu, dass wir gerne etwas bewirken und aufbauen wollen. Eine menschliche Neigung, ein Stück weit Glück dadurch zu schöpfen, dass man etwas schafft, sagt Volker Busch. Sowohl privat und auch beruflich wollen wir gerne Leistung bringen. Wenn uns das nicht gelingt, entsteht oft eine Art Schuldgefühl, erklärt der Neurowissenschaftler.
"Glück alleine durch chillen oder herumhängen und dösen reicht uns nicht."
Eva Schneider ist promovierte Psychotherapeutin. Sie kennt das Problem, dass man vom Job nahtlos zur Arbeit im Haushalt wechselt, ohne sich eine Pause zu gönnen. Sie sagt, dass wir in unserer Biografie oft über eine lange Zeit "erlernen", dass wir nur etwas wert sind, wenn wir etwas leisten. Oft liegt das Problem darin, dass unser Belohnungssystem und unser Selbstwert über die Lebensspanne sehr stark an unseren Output geknüpft sind, sagt die Psychologin.
Hinweis: Wir haben im Audio den Titel des Podcast von Volker Busch nicht richtig genannt: Er heißt "Gehirn gehört". Wir bitten das zu entschuldigen.
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