Kleidung kann Haltung zeigen und Botschaften senden – ganz ohne Worte. Damit können wir ein Statement abgeben, auch wenn wir nicht danach gefragt werden.

Kleidung ist politisch – das zeigten zuletzt Abgeordnete der Grünen und Linken im Bundestag mit Regenbogen-Outfits (Hinweis: Zu sehen in unserem Banner-Bild). Bei einer Debatte hatten sich verschiedene Abgeordnete beider Parteien in bunten Shirts ins Plenum gesetzt, um gemeinsam Regenbogenfarben zu symbolisieren. Damit reagierten sie auf das Verbot, zum CSD, die Regenbogenflagge auf dem Reichstag zu hissen.

"Die Kleidung muss der Würde des Hauses entsprechen" – mehr steht nicht in den Verhaltensregeln des Bundestags. Einen Dresscode gibt es nicht. Trotzdem ist nicht alles erlaubt. So ging die Linken-Politikerin Cansin Köktürk mit ihrem politischen Statement aus Sicht der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner beispielsweise zu weit. Köktürk wurde für ein "Palestine"-Shirt des Saals verwiesen. Zuvor war sie aufgefordert worden, ihr Oberteil zu wechseln.

Die Regenbogen-Farben-Aktion der Linken und Grünen Fraktionen Ende Juni war eine ziemlich schlaue Form von politischem Protest mit Kleidung, sagt Antonella Giannone. Sie ist Professorin für Modesoziologie an der Weißensee Kunsthochschule Berlin und hat ein Buch über Protestkleidung geschrieben.

Modesoziologin: "Schlaue Regenbogen-Aktion im Bundestag"

Ein T-Shirt in nur einer Farbe ist schwer direkt als politisch zu deuten gewesen und daher nicht eindeutig als unpassend für eine bestimmte Situation erkennbar, so Antonella Giannone. Die Wirkung habe vielmehr in der Vielzahl der Farben und dem gemeinsamen Tragen der Regenbogenfarben gelegen.

"Ein T-Shirt mit einer einzigen Farbe war schwer als direkt politisch zu interpretieren."
Antonella Giannone, Modesoziologin

Julia Klöckners Stellvertreterin Andrea Lindholz konnte in dem Fall dazu nur sagen: "Man sieht, heute geht's farbenfroh zu in diesem Parlament."

Kollektiver Körper – in Kleidung vereint

Protestkleidung entfalte eine stärkere Wirkung, wenn sie von einer ganzen Gruppe getragen werde, als wenn nur eine einzelne Person ein politisches Zeichen setze. Diesen Effekt gab es auch bei Demonstrationen oder bei Bewegungen wie den Gelbwesten in Frankreich, meint Antonella Giannone.

"Sie haben einen kollektiven Körper gebildet dadurch, dass die alle diese gelben Westen angezogen haben."
Antonella Giannone, Modesoziologin

Indem alle Teilnehmenden die gelben Westen getragen haben, hat sich nicht nur das Straßenbild für eine gewisse Zeit verändert, vielmehr ist ein kollektiver Körper mit großem Gemeinschaftsgefühl entstanden, so die Modesoziologin.

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Aber auch einzelne Personen können Wirkung erzielen, wenn sie politische Statements auf ihrer Kleidung tragen. Zum Beispiel Schauspieler Pedro Pascal, der mit einem T-Shirt mit der Aufschrift "Protect the Dolls" auf die Rechte von Trans-Menschen aufmerksam macht.

Oder auch Julien Assange, der auf dem roten Teppich in Cannes sein Hemd aufknöpft und darunter ein T-Shirt trägt mit den Namen von 4.986 in Gaza getöteten Kindern.

"Diese Menschen können unabhängig von ihrer individuellen Berühmtheit für eine größere Gruppe von Menschen stehen."
Antonella Giannone, Modesoziologin

Berühmte Persönlichkeiten können unabhängig von ihrem individuellen Fame für eine größere Gruppe von Menschen stehen – für eine Branche, für die Filmindustrie, für eine gesamte Partei oder für eine gesamte Besinnung, so Antonella Giannone.

Politischer Protest über Kleidung nimmt zu

Die Modesoziologin beobachtet, dass politischer Protest über Kleidung immer häufiger wird. Beispiele gebe es viele: Dior bringt ein "We should all be feminists"-Shirt heraus, Aannguaq Reimer-Johansens "Make America go away"-Kappen gehen viral.

Auch Musiker wie Tyler, the Creator setzen Zeichen – etwa mit einem Palästina-Flagge-Pin beim Coachella. In Deutschland trägt etwa Luisa Neubauer auf der Berlinale ein Kleid mit "Democracy dies in Daylight".

Statement-Pieces ergeben gute Bilder

Vor allem medienwirksame, öffentliche Auftritte werden gezielt genutzt, um mit Kleidung Botschaften zu senden. Statement-Pieces erzeugen starke Bilder und Aufmerksamkeit – das sei den Trägerinnen und Trägern durchaus bewusst. Es gehe auch darum, dass diese Bilder später in den Medien weiterwirken.

Die Modesoziologin sagt, diese Art des Protestierens beschränkt sich nicht nur auf politisch aktive Menschen – im Prinzip könne jede und jeder mit dem eigenen bekleideten Körper etwas mitteilen, das medienwirksam sei.

Shownotes
Statement-Pieces
Mit Kleidung politische Botschaften senden
vom 08. Juli 2025
Moderator: 
Christoph Sterz
Gesprächspartnerin: 
Antonella Giannone, Modesoziologin