Das Umweltbundesamt (UBA) hat erste Zahlen zur Luftverschmutzung deutscher Städte aus 2018 veröffentlicht. Die Zahlen kommen von Messstationen – für die gibt es aber nur weit gefasste Richtlinien, sagt Journalist Nicolas Lieven.

Die erste Bilanz des Umweltbundesamts zur Luftverschmutzung durch Autoabgase im Jahr 2018: Bei 35 der insgesamt 65 untersuchten Städten wird der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) überschritten. Stuttgart führt die Liste mit 71 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft vor München an – dort sind des 66 Mikrogramm. Insgesamt habe die Stickstoffdioxidbelastung aber leicht abgenommen, so das Umweltbundesamt.

EU-Richtlinen für Messstationen bieten viel Spielraum

Die Zahlen kommen von Messstationen aus ganz Deutschland – die liefern stündlich Werte. Die Landesämter liefern dem Umweltbundesamt diese Daten und manche Kommunen betreiben zusätzlich sogar eigene Messstationen, die nicht EU-Richtlinien entsprechen. 

Wie verlässlich die Daten der Messstationen sind, ist umstritten – egal ob sie den Richtlinien entsprechen oder nicht: Denn die europäische Luftqualitätsrichtlinie lässt viel Spielraum zu, sagt Nicolas Lieven. Er ist Journalist und beschäftigt sich mit Umwelt- und Gesundheitsthemen.

"Man hat da schon sehr viele Möglichkeiten. Deswegen haben wir die Diskussion schon gehabt, dass viele gesagt haben: Stellt die Messstationen einfach woanders hin, dann haben wir auch kein Fahrverbot."
Nicolas Lieven, NDR-Wirtschaftsjournalist

Deutschland halte sich im Vergleich zu anderen Ländern aber recht genau an die Richtlinien und stelle die Messstationen da hin, wo die Belastung hoch sei, also zum Beispiel immer innerhalb der vorgegebenen Höhe von 1,5 bis vier Metern. Zum Vergleich: Im griechischen Thessaloniki gibt es eine Messstation auf 35 Metern Höhe.

Messwerte werden übertragen

Laut Bundes-Immissionsschutzgesetz müssen Luftmessstationen dort aufgestellt werden, wo die Messergebnisse auf andere Bereiche übertragen werden können. Das bedeutet zum Beispiel: Steht eine Messstation an einer Straße Y und sechs Kilometer weiter finden sich ähnliche Parameter, können die Ergebnisse der Messstation von Straße Y auf dieses Gebiet übertragen und hochgerechnet werden. 

Manche Städte wollen daher mehr direkte Messwerte: In München gab es zum Beispiel nur fünf Messstationen des Landesamtes – der Oberbürgermeister hat daraufhin im Januar 2018 20 weitere aufstellen lassen. Bei 16 dieser 20 Stationen wurde der gesetzliche Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid 2018 eingehalten.

"München hat viel getan, ja. Aber das reicht einfach nicht aus."
Nicolas Lieven, NDR-Wirtschaftsjournalist

Trotzdem: Dafür gebe es keine genauen Vorgaben, sagt Nicolas Lieven. Zum Teil seien das eben Messstationen, die nicht an EU-Richtlinien gebunden sind. Zwar sei die Luftbelastung in einigen Straßen in München etwas gefallen. Aber München sei weiterhin eine der "am meisten belasteten Städte" in Deutschland: Ganze 100 Kilometern von 500 Kilometern Hauptstraße seien stark belastet. 

Auch bei Städten mit Dieselfahrverboten, wie Kiel oder Hamburg, geht die Luftbelastung insgesamt nur ein bisschen runter, so der Journalist. Ein Grund: Autofahrer ließen nicht etwas ihr Auto stehen, sondern suchten sich einfach neue Fahrwege.

Weniger Spielraum bei Richtlinien, mehr Maßnahmen in den Städten

Konkrete Richtlinien sind also wichtig: Es ist zum Beispiel sehr wichtig wo und in welcher Höhe die Messstationen aufgestellt werden, sagt Nicolas Lieven. In Bezug auf die von der EU-Richtlinie vorgegebene Höhe von 1,5 bis vier Metern sei es so, dass Kinder gar nicht berücksichtigt würden – denn die sind kleiner als 1,5 Meter. 

"Da ist noch viel zu viel Spielraum da, als das man sich darauf verlassen könnte. Aber ein Trend ist da."
Nicolas Lieven, NDR-Wirtschaftsjournalist

Nicolas Lieven sagt auch, dass noch mehr in andere Richtungen getan werden muss, wie den Fahrradverkehr und das ÖPNV-Netz zu stärken. In anderen Ländern bewege sich da auch was: In Oslo sei die Stadt zum Teil für Autos gesperrt. Oder in Amsterdam: Da habe man die Parkgebühren massiv hochgesetzt, um den Verkehr aus der Stadt zu drängen. Deutschland sei da im Vergleich noch sehr langsam. 

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  • Moderator: Ralph Günther
  • Gesprächspartner: Nicolas Lieven, NDR-Wirtschaftsjournalist