Musik kann unsere Emotionen beeinflussen – Das ist schon lange bekannt. Immer mehr Forschungsprojekte deuten jetzt daraufhin, dass Musik auch ganz konkrete Auswirkungen auf unseren Körper und Organe haben kann: auf die Gesundheit unseres Herzens zum Beispiel.
Die Sankt Bartholomäus Kirche im Zentrum Londons. Es ist der 22. Mai 2018. In wenigen Minuten beginnt hier ein Konzert. Elaine Chew ist die Pianistin. Sie tritt an den Flügel, der vor dem Altar aufgestellt wurde und beginnt zu spielen: Chopins Ballade Nummer 2.
Im Publikum sitzen drei Zuhörer, die etwas gemeinsam haben: einen Herzschrittmacher. Sie sind Teil eines Forschungsprojektes, das Elaine Chew leitet. Sie ist nicht nur Musikerin, sondern auch eine renommierte Mathematikerin, die mithilfe von Computer-Modellen verschiedene Aspekte rund um das Thema Musik untersucht.
Die Wirkung von Musik
Elaine Chew vermutet, dass tödliche Herzrhythmusstörungen in Zusammenhang mit starken Emotionen stehen. Da nachgewiesen ist, dass Musik Emotionen erzeugen kann, wollte die Forscherin wissen, welche Passagen innerhalb eines Musikstücks emotionalen Stress auslösen – und welche beruhigend wirken.
"The mechanism by which emotions destabilize the heart’s electrical activity and cause abnormal heart rhythms is not well understood. So why use music to understand cardiac response to emotions?"
Zusammen mit zwei Kollegen forscht sie an den Auswirkungen von Musik auf das menschliche Herz. Sie hat ihre Ergebnisse im Mai 2020 auf der Website der European Society of Cardiology vorgestellt. In mehreren Sessions hat die
Mathematikerin insgesamt acht Patienten Klassische Musik vorgespielt und danach die Daten ihrer Herzschrittmacher ausgelesen.
Herz reagiert auf Musik
Sie haben herausgefunden, dass die Herzen der Patienten ganz unterschiedlich auf zum Beispiel Tempowechsel oder Lautstärkenwechsel reagieren. Auch Pausen und stille Passagen können bei manchen Menschen Stress und Anspannung auslösen. Das zeigt sich laut den Forschern anhand des sogenannten ARI-Wertes, den sie mit den Herzschrittmachern gemessen haben.
"Wenn wir aktivierende Musik hören, wird unser Herzschlag etwas schneller. Wenn wir beruhigende Musik hören, wird er ruhiger."
Der Hirnforscher und Buchautor Stefan Kölsch hat in eigenen Studien ebenfalls nachweisen können, dass Musik die Herzaktivität beeinflussen kann. Auch er sagt: Jeder Mensch reagiert anders auf die gleiche Musik. Eine Studie aus Finnland belegt außerdem, dass Schlaganfall-Patienten von Musik profitieren, sagt Kölsch – solange es Musik ist, die ihnen persönlich gefällt und ihre Stimmung aufhellt.
Die heilende Wirkung der Musik wollen sich die Forschenden rund um Elaine Chew zu nutze machen: Sie hoffen, dass auf Basis ihrer Daten und ihrer Messmethode neue Therapien für Patienten mit Herzrhythmusstörungen gefunden werden können – die nicht nur auf Medikamente zurückgreifen, sondern auch auf individuell abgestimmte Musik, die die Herzaktivität je nach Bedarf beruhigen oder hochfahren kann.
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